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Das dunkle Paradies

Das dunkle Paradies

Titel: Das dunkle Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness
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Leben.«
    Vielleicht glaubt er jetzt, dass er den neuen Mächtigen gefunden hat.
    »Genau wie ich dachte, Sir«, sagt Ivan und bleibt vor einer Tür stehen. »Hier drin ist er.«
    »Kann er denn gehen?«, frage ich, während Ivan die Tür aufschließt.
    Aber mit einem lauten AAAAAAAAHHHHHHHH!!! springt Lee auch schon heraus, stößt Ivan um und schlägt auf ihn ein, ich muss ihn an den Schultern packen und ihn zurückziehen, er dreht sich blitzschnell zu mir um, die Fäuste geballt, bis er sieht, wer vor ihm steht.
    »Todd!«, sagt er überrascht.
    »Wir müssen …«, will ich sagen, aber da schreit er schon: »Wo ist sie?«, und blickt sich suchend um, und ich muss eingreifen, damit Ivan ihm nicht mit dem Gewehrkolben auf den Hinterkopf schlägt.
    »Sie ist verletzt«, sage ich. »Ihre Wunden müssen versorgt werden und sie braucht eine Schiene.« Und Ivan frage ich: »Habt ihr so etwas hier?«
    »Wir haben eine Erste-Hilfe-Ausrüstung«, sagt Ivan.
    »Das wird genügen. Gib sie Lee, er wird sich um Viola kümmern. Dann sag den Männern, dass ich draußen mit ihnen reden will.«
    Ivan starrt Lee wütend an, sein Lärm dröhnt.
    »Das ist ein Befehl, Soldat«, sage ich scharf.
    »Ja, Sir«, antwortet Ivan widerstrebend und verschwindet im Flur.
    Lee starrt mich ungläubig an. »Ja, Sir?«
    »Viola wird es dir erklären.« Ich gebe ihm einen Schubs, damit er Ivan folgt. »Hol das Verbandszeug! Sie hat Schmerzen!«
    Das bringt ihn auf Trab. Ich mache kehrt und gehe Richtung Eingangstür. Zwei Wachmänner beobachten mich. »Was ist hier los?«, fragt einer von ihnen.
    »Was ist hier los, Sir!, heißt das«, schnauze ich ihn an, ohne mich zu ihm umzudrehen. Ich gehe hinaus und den kleinen Pfad entlang bis zum Mauertor.
    Draußen macht alles einen beinahe friedlichen Eindruck.
    Und Angharrad ist auch da.
    Davy muss sie hergebracht haben.
    »Hey, Mädchen!«, sage ich, während ich langsam auf sie zugehe und ihr dann über die Nüstern streichle. Menschenfohlen? , fragt ihr Lärm. Todd?
    »Alles ist gut, Mädchen«, flüstere ich ihr zu. »Alles ist gut.«
    Verletzt , sagt die Stute und schnüffelt an dem angetrockneten Blut in meinem Gesicht. Mit ihrer großen, feuchten Zunge leckt sie mir über Mund und Wange.
    Ich muss lachen und tätschle ihr wieder die Nase. »Mir geht’s gut, Mädchen. Mir geht’s gut.«
    In ihrem Lärm höre ich, wie sie immer wieder meinen Namen sagt: Todd, Todd , als ich zum Sattel gehe, an dem noch immer meine Tasche hängt. Auch mein Gewehr ist noch da.
    Und das Buch meiner Mutter.
    Ich wette, das hat auch Davy gebracht.
    Ich binde Angharrad los und führe sie ein Stückchen auf der Straße entlang, bis zu dem Tor mit dem großen silbernen A. »Ich muss eine kleine Rede halten«, sage ich und zurre den Sattel fest. »Das mache ich besser, wenn ich auf dir sitze.«
    Menschenfohlen , sagt das Pferd. Todd.
    »Angharrad«, antworte ich ihm.
    Ich setze meinen Fuß in den Steigbügel, ziehe mich hoch und schwinge mich in den Sattel. Ich setze mich aufrecht hin und blicke zum Himmel hinauf. Es wird noch nicht dunkel, aber über den Wasserfällen wird bald die Sonne untergehen. Der Nachmittag fließt in den Abend.
    Mir bleibt nicht mehr viel Zeit.
    »Wünsch mir Glück«, sage ich.
    Vorwärts , wiehert Angharrad. Vorwärts .
    Die Wachen schauen abwechselnd zu mir und zu Ivan, der versucht sie zum Schweigen zu bringen, aber das würde nur etwas nützen, wenn sie auch das Heulen ihres Lärms abstellen könnten. Sie klingen wie wild gewordene Säue.
    »Er ist Leutnant«, sagt Ivan zu ihnen.
    »Er ist noch ein Junge«, erwidert ein anderer Wachmann mit roten Haaren.
    »Er ist der Junge des Präsidenten«, hält Ivan ihm ungerührt entgegen.
    »Ja, und du hattest den Auftrag, ihn in die Stadt zu bringen, Soldat«, sagt ein anderer mit einem dicken Wanst und den Rangabzeichen eines Korporals auf den Ärmeln. »Sag bloß nicht, du hast einen ausdrücklichen Befehl missachtet.«
    »Der Leutnant erteilte mir einen anderen ausdrücklichen Befehl«, erklärt Ivan.
    »Und der steht über dem des Präsidenten, nicht wahr?«, sagt der Rotschopf.
    »Kommt schon!«, ruft Ivan. »Wie viele von euch sind nur hier, weil sie strafversetzt wurden?«
    Das bringt sie zum Schweigen.
    »Du musst wahnsinnig sein, wenn du glaubst, dass ich einem Jungen gehorche und mich gegen den Präsidenten stelle«, sagt Korporal Dickwanst.
    »Prentiss weiß ’ne Menge«, sagt der Rotschopf. »Vieles, was er eigentlich gar nicht wissen

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