Das dunkle Schweigen: Denglers zweiter Fall (German Edition)
entgegen. Strauchelnd, stolpernd. Sie fliehen aus der Stadtmitte und rennen die Huttenstraße entlang, wollen hinaus aufs freie Feld.
Die Kaiserstraße gleicht einem Feuermeer. Feuerstöße schlagen aus den Fenstern und Mauerlücken der mehrgeschossigen Häuser. Beiderseits der Straße. In der Mitte der Straße treffen die Feuergarben zusammen, vereinigen sich und steigen gewaltig auf in den schwarzen Himmel. Am Holzmarkt klafft ein abgrundtiefer Bombentrichter. Kein Durchkommen. Er dreht um.
Er stolpert in Richtung von Kern und Bürger, der Zigarrenfabrik. Dort befindet sich ein großer Luftschutzbunker mit Sanitätsstelle. Vielleicht hat seine Schwiegermutter sich dorthin retten können. Vor der Fabrik stolpert er über die Leiche eines Wehrmachtssoldaten, der Kopf des Leichnams ist abgetrennt. Etwas weiter entfernt liegen zwei Frauen in ihrem Blut vor einem Hauseingang, eine wimmert noch. Als er sich zu ihr bückt, trifft ihn eine verkohlte Holzlatte am Kopf, aus dem Trümmerregen des einstürzenden Dachgebälks. Albert Roth wird ohnmächtig, fällt auf die Frau. Als er wieder zu sich kommt, atmet sie nicht mehr.
Er rafft sich auf und torkelt entsetzt zurück. Überall auf seinem Weg liegen Tote, entwurzelte Bäume und ausgebrannte Autos. Wieder wird Albert Roth ohnmächtig.
Am späten Nachmittag überblickt er von der Andreasstaffel die Stadt: Das Schloss und viele Häuser brennen noch immer. Löschen, so hat er unterdessen erfahren müssen, ist unmöglich, da die Wasserleitungen beim Angriff zerstört wurden. Er läuft von einer Sammelstelle zur nächsten, sucht in heil gebliebenen Häusern und findet die Schwiegereltern erst am Abend oben auf dem Friedhof. Unter den vielen aufgereihten Toten liegen sie, äußerlich unverletzt – in irgendeinem Keller erstickt.
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14. Er schwebt über der Hölle
Er schwebt über der Hölle. Aus dem Feuer unter ihm wölben sich schwere schwarze Rauchwolken, die schnell aufwärts ziehen. Hin und wieder zuckt eine Flamme aus ihnen hervor. Im Fallen quillt die Hitze zu ihm hinauf, kriecht unter den prallen Fallschirm, gibt ihm Auftrieb und dämpft seinen Fall. Es scheint ihm, als wolle die Hitze seinen Fallschirm in der Luft zum Stehen bringen, damit er für immer über der brennenden Stadt schwebt, dazu verurteilt, das Inferno zu beobachten und zu bezeugen, was die 187 Bomber in Bruchsal angerichtet haben. Er reißt verzweifelt an den Leinen. Er will weg aus dieser Hölle, weg von den dunklen Wolken, die immer weiter zu ihm aufsteigen.
Der Brandgeruch wird intensiver.
Dann sind die schwarzen Brandwolken um ihn, und das Atmen fällt ihm schwer. Er hustet, sieht nichts mehr, seine Brust schmerzt, die Hitze wird unerträglich. Hoffentlich entzündet sich der Schirm nicht.
Doch plötzlich segelt er aus der Dunkelheit in die Sonne. Das brennende Bruchsal hat er hinter sich gelassen. Unter sich sieht er einen Wald, die Windungen eines Flusses, eingebettet in eine breite Wiese, auf der grün im Frühlingslicht das Gras leuchtet, und eine Bahnlinie, die aus einem Tunnel führt, über eine Brücke den Fluss überwindet, um dann erneut in einem Tunnel zu verschwinden.
Inmitten des Waldes entdeckt er eine frisch geschlagene Schneise. Dort muss die Mustang runtergekommen sein. Im Cockpit sind noch Kekse, Wasser und Schokolade. Die Überlebensrationen – und mein Kartenmaterial, denkt Steven Blackmore. All das werde ich brauchen, wenn ich heil herunterkomme.
Wieder zerrt er an den Leinen. Unten auf der Wiese, nahe den Bahngleisen will er landen, den Schirm im Wald verstecken und nach den Überresten seiner Maschine suchen.
Jetzt, wo er das brennende Inferno hinter sich gelassen hat, werden die Auftriebskräfte schwächer, und er fällt schneller der Erde entgegen.
Mithilfe der Leinen korrigiert Steven Blackmore die Fallrichtung. In einer Spirale wie aus dem Tusgekee-Lehrbuch fliegt er abwärts in Richtung Wiese und landet dort punktgenau.
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15. Lieber Georg, so lange zögere ich nun schon
Lieber Georg, so lange zögere ich nun schon mit diesen Zeilen, und ich weiß, es ist unrecht von mir. Aber vielleicht ahnst Du ja schon längst, was ich Dir sagen will. Ich werde in Italien bleiben. Mein Vater braucht mich. Er hat sich noch nicht von dem Schrecken erholt, den wir zusammen durchgemacht haben. Ich habe ihm geholfen, die Zäune besser zu befestigen. Wir haben eine neue Alarmanlage installiert. Auch wenn wir nun nichts mehr zu befürchten haben, so hat er doch
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