Das dunkle Schweigen: Denglers zweiter Fall (German Edition)
hatte. Irgendwann flog die Eingangstür des Basta auf, durch die offene Tür drang ein Schwall schneegetränkter kalter Februarluft zusammen mit einer kleinen Wolke Schneeflocken in die Bar. Mit einem Packen Zeitungen unter dem Arm stampfte ein schneebedeckter Martin Klein ins Lokal, sah sich um, entdeckte Georg Dengler am Fenster, kam zu ihm, warf die Zeitungen auf den Tisch, zog seine schwarze gesteppte Joppe aus, bestellte einen Milchkaffee und setzte sich ihm gegenüber.
»Horoskop gefällig?«, knurrte er.
»Nein«, sagte Georg.
»Auch gut.«
Er hielt die Stuttgarter Zeitung hoch und deutete auf einen Artikel auf der ersten Seite.
»Wahrscheinlich war eure Aktion gestern sogar illegal«, sagte er.
»Hartz IV erlebt vor Gericht eine Bauchlandung«, lautete die Schlagzeile.
»Das Düsseldorfer Sozialgericht hat eine einstweilige Anordnung erlassen und keinen Zweifel daran gelassen, dass es auch in der Hauptsache einer Frau Arbeitslosengeld II zubilligen wird. Obwohl die Frau mit einem berufstätigen Mann zumindest zusammengelebt hat«, las er vor, »gilt: Nicht alle, die in einem gemeinsamen Bett schlafen, sollen füreinander haften oder gar haften müssen.«
Er sah Dengler über den Rand seiner Lesebrille hinweg an.
»Da kann dein Wieselfreund aber mächtig Pech haben. Die Frau braucht nur zu klagen.«
»Ich weiß nicht, ob sie nicht viel zu eingeschüchtert dazu ist«, sagte Dengler.
Klein nickte.
»Irgendwas stimmt doch nicht mit diesem Land«, sagte er. »Da hast du doch den Stoff für deinen Krimi.«
Klein rieb sich am Hinterkopf.
»Merkwürdig ist nur, dass sich niemand darüber aufregt, wie die Leute ausgenommen werden. Das will niemand in einem Krimi lesen. Nein, ich warte auf einen richtigen Mord.«
Die beiden Männer tranken ihren Kaffee. Klein las die Tageszeitungen, hin und wieder fluchte er, und Dengler hing seinen Gedanken nach.
* * *
Später gingen sie durch das immer dichter werdende Schneegestöber zur Königstraße. Im Büro von Security Services Nolte & Partners wurden sie bereits erwartet. Eine junge Frau, kaum älter als zwanzig, händigte jedem von ihnen ein Funkgerät, fleischfarbene Ohrhörer und Mikrophone aus. Sie quittierten den Empfang auf einem Formblatt, ohne das Kleingedruckte zu lesen. Eine halbe Stunde lang erklärte die junge Frau ihnen Funktionsweise, Kanalwahl, Notruffrequenz und zeigte ihnen, wie sie die kleinen Apparate aktivieren und unauffällig am Gürtel befestigen konnten. Die Zentrale sei jederzeit besetzt, sagte sie.
»Alles Gute für Ihren Einsatz morgen Abend!«
Dengler nickte. Er sah auf die Uhr. Fast halb sechs. Er würde jetzt nach Altglashütten aufbrechen.
Als sie auf die Straße traten, schneite es.
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17. Hinter Stuttgart stand er zwei Stunden im Stau
Hinter Stuttgart stand er zwei Stunden im Stau. Schneeverwehungen brachten den Verkehr zum Erliegen.
Als er in den Dengler-Hof einbog, war es schon fast zehn Uhr. Seine Mutter hatte das Licht über dem Hauseingang brennen lassen. Rechts und links des Eingangs auf der Veranda standen die Skier der Hausgäste aufgereiht.
Dengler stieg aus und betrat sein Elternhaus.
Sofort umfing ihn der Geruch von Heu, Kühen und Milch. Merkwürdig, dachte er. Seit Jahrzehnten hält meine Mutter kein Vieh mehr, aber den Geruch wird das Haus wohl für immer behalten.
Er betrat die Wohnstube, die jetzt als Frühstücksraum und abends als Aufenthaltsraum diente. Um den großen Tisch saßen zwölf Leute. Ein dicker Mann erzählte einen Witz, und alle lachten. Eine Frau kreischte laut. Jemand goss ihr Weinglas voll.
Georg Dengler grüßte kurz und ging durch den Raum in die Küche. Seine Mutter stand am Herd. Mit der rechten Hand hielt sie sich fest, während ihr linker Arm herabhing. Ihr Gesicht war schlohweiß, und sie rang um Atem. Als er eintrat, drehte sie sich um und sah ihn an, aber Dengler war sich nicht sicher, ob sie ihn erkannte. Ihr rechter Mundwinkel hing herab.
Eine halbe Stunde später hielt er vor der Notaufnahme des Krankenhauses in Neustadt. Zwei Sanitäter liefen mit einer Trage herbei. Ein paar Minuten später wurde seine Mutter von einer Ärztin untersucht und noch in der Nacht operiert.
* * *
Er verbrachte den Rest der Nacht in seinem alten Kinderbett. Und schlief nur unruhig. Die Decke war zu kurz, und er erwachte mehrmals, weil er an den Füßen fror.
Bereits um fünf Uhr stand er auf. Er studierte die Gästeliste und prüfte die Zimmerbelegung anhand des Schlüsselbretts,
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