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Das dunkle Schweigen: Denglers zweiter Fall (German Edition)

Das dunkle Schweigen: Denglers zweiter Fall (German Edition)

Titel: Das dunkle Schweigen: Denglers zweiter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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auf dem Bildschirm.
    Mit einer schnellen Bewegung zog Dengler den Netzstecker aus dem Rechner, und der Screen verlosch mit einem leisen Zischen.
    Er rief seine Mutter an.
    »Was hat der Doktor gesagt?«, fragte er sofort, als sie abnahm. »Alles in Ordnung?«
    »Ja, ja, es war wohl ein vorübergehender Schmerz. So was kommt vor.«
    »Und wie geht es dir heute? Sind die Schmerzen und die Übelkeit weg?«
    »Ich weiß nicht so recht. Mein linker Arm – ich kann ihn so schlecht bewegen.«
    Dann sagte sie rasch: »Ach, Georg, wir haben so viel Schnee. Seit drei Tagen schneit es ununterbrochen. Aber Gott sei Dank habe ich das Haus voller Skitouristen.«
    Dengler schwieg.
    »Es gibt so viel hier zu tun«, sagte sie, und Dengler verstand die Anspielung. Im Grunde meinte sie: Warum kommst du nicht und hilfst mir im Haus?
    Nachdem sie das Gespräch beendet hatten, rief Dengler den Hausarzt der Familie an. Er ließ sich gleich zu Dr. Dietsche durchstellen.
    »Gerhard, hat dich meine Mutter angerufen oder war sie bei dir in der Praxis?«, fragte er den Arzt
    Der Doktor lachte.
    »Du weißt doch, wie sie ist. Die sehe ich das nächste Mal, wenn ich den Sterbeschein für sie ausstelle.«
    »Mir erzählte sie, ihr ginge es nicht gut. Sie könne den linken Arm nicht mehr richtig bewegen. Ich habe sie zu dir geschickt, aber offensichtlich ...«
    »Georg, das kann ein Schlag sein. Eine Frau in ihrem Alter ... Soll ich zu ihr rüber auf den Dengler-Hof fahren?«
    »Das nützt nichts. Ich kenne sie. Ich fahre runter und bringe sie dir selbst in die Praxis.«
    Sie legten auf.
    Georg Dengler ging wieder hinunter ins Basta.
    Er war der einzige Gast. Der kahlköpfige Kellner stand hinter der Bar und polierte Gläser. Als er Dengler erblickte, drehte er sich um und ließ einen doppelten Espresso aus der spiegelblanken, altmodischen Kaffeemaschine fauchen.
    Verkleinert und verzerrt sah Dengler sein Gesicht in dem Metall der Kaffeemaschine sich widerspiegeln. Schweigend servierte der kahlköpfige Kellner den Espresso. Dann schäumte er in einem kleinen Stahlkännchen Milch auf und stellte es neben die Espressotasse auf die Theke. Dengler dankte mit einer Kopfbewegung.
    Sollte er abwarten, bis die Liebe zwischen Andrea Savinio und Christiane zu Ende gehen würde? Ihm fiel der Roman von García Márquez ein, den er als junger Mann gelesen hatte. Die Hauptfigur dieses Romans hatte auf die Frau seines Lebens bis ins hohe Alter gewartet, und dann hatten die beiden tatsächlich zueinander gefunden. Auch geheiratet? Er wusste es nicht mehr. Das Buch und die Entschiedenheit des Helden hatten ihm damals imponiert. Aber konnte dies ein Vorbild für das wirkliche Leben sein?
    Er schüttete etwas Milch in den Espresso und rührte um.
    Sollte er zu ihr fahren? Sofort. Und kämpfen? Wie? Dazu war es zu spät. Er würde sich lächerlich machen. Konnte er überhaupt von ihr verlangen, dass sie sich für ihn und gegen Andrea Savinio entscheidet? Wenn sie ihn liebte?
    Georg Dengler trank einen Schluck und registrierte den Schmerz. Er saß genau im Solarplexus. Mittendrin. Platziert wie ein gut gezielter Boxhieb. Von dort strahlte er in den Bauch. Und ins Herz.
    Er erinnerte sich an eine Vorlesung, die er während seiner Zeit als Zivilfahnder beim Bundeskriminalamt besucht hatte. Er wusste nicht mehr, um was es genau ging, aber er erinnerte sich noch an den Referenten, einen Polizeipsychologen. Die Angst sitzt im Solarplexus, hatte der Mann ihnen gesagt.
    Er sah auf und entdeckte, als sich ihre Blicke trafen, eine fragende Sorgenfalte auf der Stirn des kahlköpfigen Kellners, der wieder seine Gläser polierte. »Es ist nichts. Ich komme schon damit klar. Alles o. k.«, sagte Dengler.
    Er nahm die Tasse und setzte sich an einen Tisch am Fenster.
    Nun war er wieder allein, allein auf sich gestellt. Vielleicht ist es diese Vorstellung, die mir Angst macht, dachte er. Vielleicht ist es die Gewissheit, dass ich bis zum Ende meiner Tage allein sein werde.
    Ich werde nach Chicago fahren, dachte er. Diesen Traum werde ich mir erfüllen, sobald meine Fälle abgeschlossen sind. Ein anderer Kontinent, eine andere Stadt und jeden Abend schwarze Bluesmusik – all dies wird helfen, Christiane zu vergessen.
    Und leicht schlug er mit dem Fuß den Takt zu einem seiner Lieblings-Bluesstücke.
    Help me
    I can't do by myself
    Und seine Gedanken schweiften zurück in die Toskana.
    * * *
    Er wusste nicht genau, wie lange er an dem Platz am Fenster gesessen und an sie gedacht

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