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Das dunkle Schweigen: Denglers zweiter Fall (German Edition)

Das dunkle Schweigen: Denglers zweiter Fall (German Edition)

Titel: Das dunkle Schweigen: Denglers zweiter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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kommende Brummen stammt von Motoren. Von vielen Motoren. Direkt über ihm. Im gleichen Augenblick heulen die Sirenen der Peterskirche – Vollalarm. Viel zu spät, denkt Albert noch. Er kann – im blendenden Gegenlicht der Frühlingssonne – die Flugzeuge bereits sehen. Und rennt in Richtung Haus. Ein pfeifendes Geräusch verstärkt sich unmittelbar über ihm.
    Als er sich noch einmal umblickt, schleudert eine Explosion Massen aus Staub, Erde und Steine in den Himmel. Albert ist irritiert, weil dieser Vorgang völlig lautlos sich zu vollziehen scheint. Erst verzögert hört er die Detonation, die Druckwelle wirft ihn nieder, als er die Stufen der Haustür erreicht hat. Im Fallen sieht er, dass die Gartenmauer, an der er eben lehnte, nicht mehr da ist. Das Haus bebt. Eine Hand zieht ihn hinein. Jemand schiebt ihn vor sich her durch den Flur zur Kellertür. Der Boden unter ihm scheint sich zu bewegen, an der Ecke der Diele vor der Kellertür bricht die Decke ein. Bevor die schwankende Glühbirne über der Kellertreppe erlischt, sieht er andere Hilfesuchende die Treppe hinunterstolpern – weiße Silhouetten, die sich durch die Schuttwolken hin zum Schutzraum tasten. Dann ist er im Keller. Jemand schließt die Tür.
    Im Keller ist es dunkel. Geruch von feuchtem Mörtel. Eine Kerze flackert auf. Etwa zwanzig Menschen sitzen auf dem Boden. Draußen kracht es erneut. In rascher Abfolge eine Detonation nach der anderen. Eine Riesenfaust schüttelt das Haus. Staub quillt trotz der geschlossenen Tür in den Keller.
    »Vater unser, der du bist im Himmel ...«, murmeln einige Stimmen.
    In das Gebet mischt sich trockener Husten. Ein Kind weint und ist sofort wieder still.
    Der Bub neben ihm hält sich die Ohren zu.
    Albert Roth blickt den Menschen in die staubverfärbten Gesichter. Wo sind seine Schwiegereltern? Haben sie es rechtzeitig in den Keller von Dossingers geschafft? Panik erfüllt ihn. Was ist mit seiner Frau und seinem Sohn in Gündlingen?
    Plötzlich Stille.
    Dann die zweite Angriffswelle. Wieder bebt das Haus. Die Tür hält. Dann die dritte Welle. Im Keller nur ein nervöser Aufschrei. Keine Panik. Einige beten. Und wieder Stille. Kein Krachen mehr. Nur ein Knacken, ein permanentes Knacken. Alles ruhig. Warum knackt es so? Er springt auf. Die Türe ist aus dem Senkel, ist undicht. Durch einen Spalt dringt Rauch ein. Hitze und Brandgeruch. Albert kennt den Geruch, der von Phosphorbränden ausgeht.
    Die Luft im Keller wird unerträglich. Eine Frau starrt benommen zu ihm auf. Frau Weindl. Es ist Frau Weindl. Ihr Haar grau gepudert vom Staub. Ihre Augen stehen weit offen. Die Kellertür klemmt. Er zieht. Reißt. Mit beiden Händen an der Klinke. Jemand zieht ihn an den Schultern. Er schüttelt die Hände ab, schreit. Die Kerze geht aus. Stöhnen. Mehr kehlig. Ein Mann hilft ihm. Die Tür geht auf. Einen halben Meter. Er quetscht sich zwischen Pfosten und Tür. Ist draußen. Alles dunkel. Die Treppe. Auf Händen und Füßen hoch. Einmal greifen seine Hände ins Nichts. Er stürzt. Das Kinn schlägt auf. Eine Stufe fehlt. Weiter. Die obere Tür lässt sich leicht öffnen. Er steht im Flur. Nur drei Meter weiter ist die Haustür. Durch den Schlitz sieht er den Feuerschein draußen. Und hört die Flammen prasseln und knacken.
    Er reißt die Tür auf und sofort schlägt ihm die Hitze ins Gesicht. Stolpert über drei leere Blechhülsen abgeworfener Brandbombenbehälter, fällt und reißt sich die Backe an dem Metall auf.
    Er rappelt sich auf. Das Haus neben Weindls brennt. Die Hitze sticht in den Lungen. Hand vors Gesicht. Der Boden ist übersät mit Geröll und Glassplittern. Einige Bäume sind von der Hitze dürr geworden, andere brennen bereits. Brennende Fetzen von Vorhängen treiben durch die Luft. Glasscheiben bersten. Hinter ihm taumeln die anderen aus dem Keller. Er hilft Frau Weindl, die einen unhörbaren Schrei ausstößt, als sie ihr Haus sieht, aus dem jetzt auch die Flammen lodern.
    Aus dem Rebstöckle und dem Dörndel schlagen Flammen. Es gibt kein Durchkommen.
    Die Stadt brennt lichterloh. Das Finanzamt brennt, das Amtsgericht brennt, das Schloss steht in Flammen. Dunkle Rauchschwaden steigen auf und verfinstern den Himmel. Mitten am Tag ist es Nacht in der brennenden Stadt.
    Wo ist seine Schwiegermutter? Zusammen mit anderen Gestalten torkelt er durch brennende Straßen, sieht Männer und Frauen und Kinder ihre vermissten Angehörigen suchen. Er rennt weiter.
    Stöhnende und weinende Menschen kommen ihm

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