Das dunkle Schweigen: Denglers zweiter Fall (German Edition)
Grundstückes, des Schlosshotels, oben neben der alten Ruine in Gündlingen ...«
»1947 – Sie machen Witze. Ich bin 1951 geboren.«
»Ich habe Ihre Adresse von der Firma Sternberg Befestigungssysteme. Dieser Familie gehörte das Hotel früher.«
»Ich kenne das Schlosshotel. Ich gehe hin und wieder dort essen. Sie machen dort einen vorzüglichen Spießbraten. Das ist eine Art Rollbraten, der auf dem offenen Kamin gebraten wird. Schmeckt phantastisch. Ist aber sicher nicht sonderlich gesund.«
»Wer könnte den Vertrag beglaubigt haben?«, fragte Dengler.
»Mein Vater«, sagte der Mann.
Während Dengler noch überlegte, wie er die nächste Frage
höflich formulieren könne, kam ihm der Notar zuvor.
»Mein Vater lebt noch«, sagte er, »er ist zwar alt, pensioniert
und schon lange nicht mehr im Geschäft, aber noch ziemlich
klar.«
»Kann ich mit ihm sprechen?«
Der Mann zögerte einen Augenblick.
»Sicher«, sagte er dann, und sie vereinbarten einen Termin.
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13. Als die Bomben auf Bruchsal fallen
Als die Bomben auf Bruchsal fallen, befindet sich Albert Roth auf Heimaturlaub. Längst hat er beschlossen, nicht mehr an die Front zurückzukehren. Er weiß, dass sich die Zahl der Toten unmittelbar vor dem absehbaren Ende des Krieges in neue Höhen geschraubt und alle bisherigen Rekorde gebrochen hat. An den Fronten wie in der Heimat.
Am Morgen des 1. März ist er von Gündlingen nach Bruchsal herübergekommen, um den Luftschutzkeller seiner Schwiegereltern besser zu befestigen.
Der 1. März ist ein herrlicher Frühlingstag. Der Sonnenaufgang und das Wetter geben den Menschen etwas Hoffnung, Hoffnung auf Wärme und auch Hoffnung auf das Ende des Krieges. Hinter vorgehaltener Hand munkeln die Nachbarn schon lange über den sich ständig nähernden Frontverlauf, auch wenn die offiziellen Meldungen zwischen den endlosen Durchhalteparolen anderes berichten. Seine Schwiegereltern wissen, dass die amerikanischen, englischen, aber auch die russischen Truppen im Reichsgebiet stehen, und alle rechnen sich insgeheim aus, wie lange es noch dauern wird, bis sie den Rhein und bald danach Bruchsal erreicht haben werden. Eine Frage von Wochen. Oder sogar nur von Tagen?
Der Schwiegervater hat vier schwere Holzbohlen im Keller gelagert. Mit diesen Bohlen will Albert Roth heute die Decken des Kellers abstützen. Außerdem macht ihm die Kellertür Sorgen. Er glaubt nicht, dass sie Sicherheit bieten wird, wenn eine Sprengbombe das Haus trifft.
Morgens um zehn Uhr heult die Sirene zum ersten Mal – Voralarm. Wenig später ertönt der Vollalarm. Es finden sich fünf Bewohner, zwei Frauen mit drei Kleinkindern, im Keller ein, die meisten anderen Hausbewohner haben nicht an einen Angriff auf die Stadt geglaubt. Tatsächlich kommt eine halbe Stunde später vom Kirchturm die Entwarnung, und die Frauen ziehen oder tragen ihre Kinder wortlos an Albert Roth und seinen Schwiegereltern vorbei aus dem Keller. Albert Roth macht sich wieder an die Arbeit und stützt mit einem der Balken die Stahlträger der Decke zum Erdgeschoss ab.
Um halb eins kommt sein Schwiegervater in den Keller und bringt ihm zwei belegte Brote und eine Tasse Kaffee. Er habe eben den Hausmeister Will vom Rathaus getroffen, sagt er, und der habe ihm berichtet, dass bei Straßburg über 500 feindliche Flugzeuge gesichtet worden seien. Es herrsche »dicke Luft«, im Rathaus rechne man heute mit schweren Angriffen, das Wetter sei klar, und von oben seien alle Ziele gut zu erkennen. Aber was wollen die schon von Bruchsal, sagt sein Schwiegervater und macht eine abwehrende Handbewegung.
Albert Roth überzeugt die Einschätzung nicht. Vor einer Woche haben die alliierten Flieger Pforzheim in Schutt und Asche gelegt. Und wenn sie sich Pforzheim zum Ziel nehmen – warum nicht auch Bruchsal? Rasch steht er auf, trinkt den letzten Schluck aus der Tasse und wuchtet die nächste Bohle gegen die Hauswand, sucht kleinere Hölzer zum Verstreben.
Kurz vor zwei unterbricht er seine Arbeit und geht erschöpft nach oben, ins Freie. Auf den Stufen vor der Haustür bleibt er einen Moment stehen, er blinzelt, muss sich an das helle Sonnenlicht gewöhnen. Dann geht er durch den Vorgarten, lehnt sich an die Gartenmauer, hebt den Kopf, schließt die Augen, wärmt sich in der Sonne.
Als er den konstanten dunklen Basston vernimmt, der sich unmerklich in seine Wahrnehmung gedrängt hat, ist er im ersten Augenblick irritiert. Doch dann wird ihm schlagartig klar: Das näher
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