Das dunkle Schweigen: Denglers zweiter Fall (German Edition)
nicht, ließ sich ziehen, dann lief er, und Blackmore sah, wie er stolperte und wieder hinfiel, sich aufrappelte, und dann waren die beiden Buben verschwunden.
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24. Ich kenne Ihren Vater
»Ich kenne Ihren Vater gut«, wiederholte Kurt Roth. Am Tisch herrschte verblüfftes Schweigen.
»Aber ..« Sternberg sah ihn ungläubig an.
Schweigen.
»Mein Vater ..«, hob Sternberg erneut an.
Erneutes Schweigen.
»Mein Vater ... vielleicht wissen Sie. Er spricht nicht mehr seit meiner Geburt. Seit ich denken kann, hat er das Haus nicht verlassen. Wann wollen Sie ihn kennen gelernt haben?«
Kurt Roth sah ihn an.
Er sagte: »Ich kannte Ihren Vater schon, als Sie noch nicht auf der Welt waren. Wir kannten uns schon als Kinder.«
Er blickte aus dem Fenster.
Dann deutete er auf Dengler.
»Weiß Fritz ..., Ihr Vater, dass Sie den da auf uns angesetzt haben?«
Sternberg wollte etwas sagen, aber er fand keine Worte.
In diesem Augenblick nahm sich Roths Tochter einen Stuhl vom Nachbartisch und setzte sich zu ihnen.
»Maria, meine Tochter«, stellte Kurt Roth sie vor.
»Hallo«, sagte sie völlig natürlich, und Dengler bemerkte erstaunt, dass Sternberg errötete.
»Weiß Fritz, dass Sie in den alten Sachen rumkramen?«, fragte Roth.
»Also, mein Vater, sagte ich doch, mein Vater spricht schon seit vielen Jahren nicht mehr«, sagte Sternberg und versuchte, nicht zu Maria zu sehen.
»Aber er hört und versteht doch alles, was Sie ihm sagen?«, fragte Roth.
Er stand auf.
»Reden Sie mit ihm«, sagte Kurt Roth.
Er ging zur Theke zurück, und seine Tochter folgte ihm.
* * *
»Verstehen Sie das alles?« Robert Sternberg schloss die Wagentür, und Dengler ließ den Motor an.
»Nein«, sagte Dengler, »aber wie soll ich das alles auch verstehen, da Sie und Ihre Schwester offensichtlich nur einen Bruchteil der Geschichte erzählt haben.«
»Ich weiß auch nicht mehr. Wir haben Ihnen alles gesagt.«
»Ja? Wirklich? Und was ist mit Ihrem Vater?«
»Habe noch nie ein Wort mit ihm gewechselt«, sagte Sternberg. »Seit ich ihn kenne, steht er am Fenster, schaut hinaus und schweigt.«
Dengler sah, wie Sternberg um Worte rang.
Dann fuhr Sternberg fort: »In den ersten Jahren war es normal, der Vater schwieg eben. Er war da, sah mir zu, was ich tat, und manchmal spielte er mit mir. Meine Mutter redete umso mehr. Sie sagte immer irgendwas, den ganzen Tag lang. Mich störte das mehr als der stumme Vater, an den ich mich gewöhnt hatte. Nur als ich in die Schule kam, da ...« Er unterbrach sich.
»Alle lachten über meinen schweigenden Vater. Es war die Hölle«, sagte er schließlich.
»Und Ihr Großvater?«, fragte Dengler nach einer Weile.
»Gott sei Dank gab es den. Er half, damit etwas aus uns wurde. Obwohl ich ihn enttäuscht habe.«
»Warum?«
»Er wollte wohl, dass ich einmal die Firma führe, so wie Ilona sie jetzt führt. Aber mich hat das nie interessiert. Ich hab immer gespielt, was gebaut, was gemalt. Rechnen fiel mir schwer. Das konnte Ilona viel besser. Sie konnte schon in der ersten Klasse Prozentrechnen. Ich ... ich – mein Großvater nannte mich immer den Träumer, und das war bei ihm ein Schimpfwort.«
»Und er hat nie ein Wort über das Hotel verloren?«
»Niemals.«
»Und auch sonst niemand in Gündlingen?«
»Niemand.«
»Finden Sie das nicht merkwürdig?«
Sternberg schwieg.
Er sah zum Fenster hinaus, und Dengler war sich sicher, dass er an Kurt Roths Tochter dachte. Sie schwiegen, bis Dengler in den Hof von Sternberg Befestigungssysteme fuhr. Er hielt den Wagen an, stellte den Motor ab und zog die Handbremse.
»Kann ich mit Ihrem Vater reden?«, fragte Dengler.
»Das wird ein sehr einseitiges Gespräch werden, fürchte ich«, sagte Robert Sternberg.
»Ich will es probieren«, sagte Dengler.
»Ich rede mit Ilona und rufe Sie dann an«, sagte Sternberg und stieg aus.
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25. An der Bar stand ein hagerer Mann
An der Bar stand ein hagerer Mann, die linke Hand in der Hosentasche, in der rechten Hand ein Bierglas, und redete mit Martin Klein. Der Mann trug einen dunkelblauen Dufflecoat und einen langen schwarzen Schal, den er zweimal um seinen Hals geschlungen hatte. Eine randlose Brille saß etwas zu weit vorne auf seiner Nase. Er hatte ein waches Gesicht. Dengler schätzte ihn auf Mitte dreißig.
»Das ist Leopold Harder«, stellt ihn Klein vor, »Wirtschaftsjournalist.«
Dengler gab ihm die Hand. Der kahlköpfige Kellner sah ihn fragend an, und Dengler nickte. Kurz
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