Das dunkle Universum 04 - Evolution der Leere
er noch frei gewesen war, so viel Spielraum ließen sie ihm, dachte an jenen Moment, bevor er die Tür des Aprikosenhäuschens zerschmettert hatte. Und er griff danach -
Keuchend schnappte Edeard nach Luft, als er durch das Pflaster der Boldar Avenue glitt. Alle drehten sich um und starrten ihn an, die Köpfe voller identischer gelassener Gedanken. Oben im Haus erwartete ihn das Nest.
Er nahm sich nicht einmal die Zeit zu erspüren, ob sich irgendein Aufflackern von Misstrauen in ihren vereinten Gemütern zeigte. Seine Erinnerung beschwor jenen Abend herauf ... nicht den Moment kurz davor, sondern ein paar Stunden früher, die Stube des Astronomen -
Edeard stand vor dem House of Blue Petals und wartete geduldig. Es war später Nachmittag, und am anderen Ende der Stadt wurde soeben der Große Rat zu einer Versammlung einberufen, während drüben im Tosella-Distrikt Finitan über seine Hinfälligkeit und Schmerzen schimpfte.
Endlich schritt selbstsicher ein junger Tathal über die Straße auf das House of Blue Petals zu. Abrupt blieb er stehen, drehte sich um und starrte Edeard an.
»Du beobachtest mich«, sagte Edeard.
Tathals jugendliches Gesicht verzog sich zu einer argwöhnischen Grimasse. »Ach ja?«
»Du hast Angst, dass ich dir einen Strich durch die Rechnung machen könnte.«
»Scheiß der Hund drauf«, spie Tathal aus. Seine dritte Hand begann, sich auszustrecken, während seine Gedanken hinter einem ungewöhnlich starken Schild verborgen blieben.
»Du besitzt eine außerordentliche Begabung«, sagte Edeard ruhig. »Warum schließt du dich mir nicht an? Die Menschen dieser Welt benötigen Hilfe. Es gibt so viel Gutes, das du tun kannst.«
»Mich Euch anschließen? Nicht einmal Ihr könnt mich dominieren, Waterwalker. Ich bin niemandes Genistar.«
»Ich habe nicht vor, diesen Trick zu versuchen.« Sein Blick huschte hinüber zum House of Blue Petals. »Sie hat ihn bei mir auch mal probiert, weißt du?«
»Wirklich? Muss ziemlich doof sein, wenn man aus seinem Fehler nichts gelernt hat. Doch ich hab' sie dazu überreden können, mir 'ne Menge beizubringen.« Er grinste spöttisch. »Gefällt mir. Sie denkt immer noch, die Kontrolle zu haben, aber sie bückt sich, wenn ich es ihr sage.«
»Zum Honious! Du hast schon damit angefangen, das Nest an dich zu binden, oder?«
Tathals Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Böse Ahnungen sickerten durch seinen Schild. »Was wollt Ihr?«
»Nicht dich. Du bist zu spät.« Edeard rief sich einen ganz bestimmten Tag ins Gedächtnis. Einen Tag vor ein paar Jahren. Griff danach -
Edeard versuchte es. Fast war er schon selbst beeindruckt von seiner Beharrlichkeit. Er forschte nach dem rechten Zeitpunkt, dem Moment, da Tathal noch eine Unze Menschlichkeit in sich gehabt hatte. Wenn es sie gab, so fand er sie nicht. Fast glaubte er schon nicht mehr daran, dass es sie je gegeben hatte.
Aber er versuchte es weiter. Wartete draußen vor dem Stadttor, als ein fünfzehnjähriger Tathal mit einer Karawane eintraf. Aber auch zu diesem Zeitpunkt hatte sich seine Persönlichkeit schon herausgebildet. Der Heranwachsende hatte bereits die gesamte Karawane dominiert, saß, seine mentalen Anordnungen erteilend, im Wagen des Meisters und spielte den Herrn. Noch nicht auf die subtile Weise wie später beim Nest; Männer und Frauen dienten ihm, während ihre Töchter zu seinen Huren wurden. Die Alten und Widerspenstigen waren unterwegs ausgesondert worden.
Er ging zurück in der Zeit ... Edeard traf Tathal, als dieser aus der Provinz Ustaven ankam. Er verpasste Taralees siebzehnten Geburtstag, um in die Hauptstadt Growan zu reisen, neun Monate bevor die Karawane eintraf und Tathal sich ihr anschloss. Und gerade rechtzeitig, um zu spüren, wie der Vierzehnjährige schließlich Matrar, seinen gewalttätigen Vater, tötete und dabei telekinetische Kräfte an den Tag legte, die bestürzend und beängstigend waren. Nur Minuten später warf der Junge seine trunksüchtige Mutter aus dem Haus.
Weiter zurück ... Fünf Jahre früher, Edeard verbrachte einen Monat in Growan, zechte in Matrars Stammschenke und versuchte, mit dem unglücklichen Familienoberhaupt vernünftig zu reden, ihn davon abzubringen, seiner Familie Gewalt anzutun. Vergeblich.
Weitere zwei Jahre zurück ... Edeard schmierte den Besitzer der Zimmermannshütte, für den Matrar arbeitete. Er setzte sich für Tathals Vater ein, um diesem so das Leben vielleicht ein bisschen leichter zu machen. Mit mehr Lohn in der
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