Das dunkle Universum 2 - Schwarze Welt
Diebe zweifellos auftauchen mussten. Sämtliche Straßen jenseits der welligen Markisen wurden von herrlich anzuschauenden Saff-Kirschbäumen überschattet, deren mit rosa und blauen Blüten dicht durchsetzte Kronen jeden Blick auf den Gehsteig und die Menschen darunter verwehrten. Seine Fernsicht war nach wie vor auf die Räuber konzentriert, die vom Schauplatz des Verbrechens flohen. Es waren vier – drei davon schwangen ihre Schwerter, während der vierte eine Art Kiste mit sich schleppte. Soweit Edeard es wahrnehmen konnte, war sie angefüllt mit Metall. Und viele der Stände ringsum stellten Schmuckwaren aus.
Als sie durch eine Menschengruppe brachen, die sich um einige umgestoßene Stände versammelt hatte, zog Chae seinen Knüppel. Ein Mann lag auf dem Boden, stöhnend und um sich schlagend. Neben ihm bildete sich eine Lache aus Blut.
»Herrin!«, rief Chae aus. »Also gut, bleibt zurück, gebt ihm etwas Luft.« Er griff nach seinem Verbandskasten und kniete sich neben den niedergestreckten Standbesitzer.
»Ein Arzt?«, erhob sich Chaes Longtalk über den allgemeinen Tumult. »Befindet sich ein Arzt auf dem Kunsthandwerkermarkt von Silvarum? Wir haben einen Verletzten.«
Edeards Fernsicht folgte noch immer den Verbrechern. »Los, kommt«, rief er Macsen und Kanseen zu.
»Wohin?«, fragte Macsen. »Ich hab sie verloren.«
»Sie haben gerade den Marktrand erreicht. Albaric Street. Ich kann sie noch spüren.« Schon pflügte er sich weiter durch die Menge der Schaulustigen.
»Edeard, nein!«, brüllte Chae hinter ihm.
Den Sergeant zu ignorieren, verschaffte ihm das jähe Gefühl einer boshaften Freude.
Unter den anfeuernden Rufen der Standbesitzer hetzten die drei angehenden Konstabler über den Marktplatz. Edeard und Macsen setzten ihren Longtalk ein, um die Leute aus dem Weg zu scheuchen. Im Großen und Ganzen funktionierte es recht gut. Immer näher rückten sie zu den flüchtenden Dieben auf.
Edeards Ge-Adler stieß tief hinab auf die Saff-Kirschbäume der Albaric Street und rauschte mit seinen Flügeln nur Zentimeter über die wogenden Blüten hinweg. Darunter stampften die Diebe über das Pflaster und hielten auf direktem Weg auf den Great Major Canal zu. Die Schwerter hatten sie wieder weggesteckt, um keine unnötige Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Dennoch pulsierten die Bewusstseine der Menschen ringsum förmlich vor Neugier und Angst.
»Wohin wollen sie?«, fragte Kanseen im Laufen.
»Ich nehme an, zum Kanal«, erwiderte Macsen. In seiner Longtalk-Stimme schwang eine unüberhörbare freudige Erregung.
Schließlich sah Edeard das Ende des Marktes vor sich auftauchen; die gestreiften Leinwanddächer machten den gedämpften Strahlen von blütengefiltertem Sonnenlicht Platz. »Kannst du in der Nähe noch andere Konstabler ausmachen?«, fragte er.
»Herrin, ich hab genug damit zu tun aufzupassen, wo ich hinlaufe«, beschwerte sich Macsen.
»Was hast du vor?«, erkundigte sich Kanseen besorgt und voller Zweifel.
»Sie aufhalten«, entgegnete Edeard. War das nicht offensichtlich? Was für eine Frage!?
»Sie sind in der Überzahl. Und sie haben Schwerter.«
»Die werd ich ihnen schon abnehmen«, knurrte er. Ihre Unsicherheit trieb von ihm ab, als wäre sie nur eine weitere Landmarke, die er hinter sich ließ.
Sie schlossen jetzt rasch auf. Im Vergleich zum geschäftigen Markt wirkte die Albaric Street geradezu verlassen und erlaubte es den Konstablern, im Laufschritt vorwärts zu kommen. Um den einen oder anderen störrischen Fußgänger rannten sie einfach herum.
Über den letzten Saff-Kirschbäumen blitzte das Gefieder des Ge-Adlers auf. Er wies Edeard eine Straße, die abrupt am Ufer des Great Major Canal endete. Hier erstreckte sich der große Wasserweg in beide Richtungen und teilte die Stadt in zwei Hälften. Im Westen lag der Birmingham Pool, der den Outer Circle Canal kreuzte, während nach Osten hin der High Pool eine Verbindung mit dem Flight Canal und dem Market Canal schuf. Hier gab es nur zwei Brücken, die Silvarum mit dem Padua-Distrik verbanden, und zwar je eine neben jedem Pool. Wie alle Brücken, die den Great Major Canal überspannten, waren auch diese steil und schmal; die meisten Leute zogen es vor, die Gondeln zu benutzen, um die hundertvierzig Meter breite Wasserscheide zu überqueren. Einige der Boote wippten an einer Anlegestelle auf und ab, die ans Ende der Straße grenzte.
»Ich hab sie«, rief Edeard aus. »Sie sind gerade am großen Kanal angekommen.« Seine
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