Das dunkle Universum 3 - Im Sog der Zeit
durch eine eiserne, trichterförmige Esse abzog.
Edeard und Kristabel setzten sich auf das lange Sofa und schauten hinaus auf das nur wenige Hundert Meter entfernt liegende Meer. Er wünschte, es wäre schon etwas später im Jahr und warm genug zum Schwimmen. Weit hinten am Horizont segelte träge ein Handelsschoner vorbei, auf dem Weg zu den Häfen im Süden. Bedienstete und Ge-Affen wuselten um sie herum und räumten ihr Reisegepäck aus, während der Hausverwalter in der Küche den Eisenofen anfeuerte, um ihnen Tee kochen zu können.
Verspielt strich Kristabel Edeard mit den Fingern durchs Haar. »Keine Angst«, sagte sie. »Sie bleiben alle in ihren Häuschen hinter der Klippe. Außer Fernsichtweite. Ich möchte sie heute Nacht nicht schockieren; ein paar von ihnen sind schon seit Jahrzehnten bei unserer Familie.«
Edeard grinste und erinnerte sich, dass Ranalee mehr oder weniger das Gleiche gesagt hatte. Er wandte seinen Blick wieder hinaus auf das Meer.
Wie es der Zufall wollte, befand sich das Strandhaus der Culverit-Familie nur wenige Meilen südlich der Bucht, in der Ivarls Leiche angespült worden war. Edeard erinnerte sich noch gut an jenen Morgen. Eine Woche nach dem Geleitfest hatte er die Nachricht vom Küstenwärter erhalten, der ihn gebeten hatte, den Leichnam zu identifizieren. Er hatte sich in den Milizställen ein Pferd gemietet und war zum Südtor hinausgeritten.
Die See und die Felsen waren nicht eben freundlich zu Ivarl gewesen. Edeard hatte noch nie zuvor gesehen, was Wasser mit einem Körper anzurichten vermochte. Der aufgeschwemmte Zustand hatte ihn überrascht, ebenso die fahle Farbe der Haut. Dennoch hatte kein Zweifel daran bestanden, dass der Tote der Bandenbaron war.
»Hab so was noch nie gesehen«, hatte der alte Küstenwärter gebrummt.
Edeard hatte mit seiner Fernsicht die Stricke untersucht, die noch immer um Ivarls Hand- und Fußgelenke gebunden waren. Es war etwas grausig Geschmackvolles an den perfekt geschnürten Fesseln, den komplizierten Knoten gewesen – ein krasser Widerspruch zur Fratze des Todes, besonders zu dieser. Er hatte neun tiefe Einstiche gezählt, bevor er es aufgab. Es war Ivarl nicht vergönnt gewesen, rasch oder friedlich zu sterben.
Die Ermordung seines Widersachers machte Edeard noch weit mehr zu schaffen als die Entführung. Wenn schon nichts anderes, so zeigte sie, dass irgendeine Art von Organisation in der Stadt umtriebig war, von der er noch keine klare Vorstellung hatte. Trotz intensivster Ermittlungen gegen Ivarls engste Vertraute und seine Leutnants, war es ihnen nicht gelungen, herauszubekommen, wer ihn umgebracht hatte. Und dann wieder fragte er sich, was wohl aus Ivarls Seele geworden war. Hatte sie in der gleichen Weise den Körper verlassen, wie er es unten in dem Keller, als Mirnathas Entführer gestorben war, wahrgenommen hatte? Diese Sache hatte ihn wirklich mehr beunruhigt, als er es sich selbst gegenüber eingestehen wollte.
In dieser Nacht verbannte Kristabel all seine Zweifel und Sorgen.
Die Hausangestellten mochten vielleicht außer Fernsichtweite sein, doch er war überzeugt davon, dass seine Lustschreie ihren Schlaf gestört hatten.
Am nächsten Morgen warfen sie sich schlichte weiße Hausgewänder über und frühstückten auf der schmalen Veranda, die das Haupthaus umsäumte.
Eine warme Brise wehte vom Meer her herüber und zauste an Kristabels wildem Haar. Nachdem sie ihre Blaufruchtschnitzel aufgegessen hatten, rief sie ihr Dienstmädchen herbei, damit sie ihr die Locken ausbürstete und sie für den Tag herrichtete. Edeard lehnte sich, während das Mädchen sich an ihre Arbeit machte, zurück und befahl den Ge-Schimpansen, den Tisch abzuräumen. Draußen auf dem Meer glitten unter vollen Segeln drei Schiffe zwischen den felsigen Buchtflanken dahin. Er beneidete die Seemänner um ihre Freiheit. »Das würde ich auch mal gern machen«, sagte er. »Wenn es irgendwann mal keine Banden mehr gibt und die Gauner sich in die Wildnis verkrochen haben, sollten wir uns einfach so ein Schiff nehmen und einmal um die Welt segeln.«
»Bis jetzt hat noch niemand einen Weg durch die südlichen Eismassen entdeckt.«
»Dann fahren wir eben nach Norden.«
»Durch die Atolle der Auguste Sea? Herrin, Edeard, da gibt es Riffs, die sich über Hunderte von Meilen erstrecken. Das ganze Meer ist ein heimtückisches Labyrinth, das jedem unglückseligen Schiff, das zu nah ans Korallenriff herankommt, den Rumpf wegreißen kann.«
»Dann
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