Das dunkle Universum 3 - Im Sog der Zeit
ging, die Hilfe dieses Mannes anzunehmen. Wie jeder Bewerber um ein hohes Amt in der Geschichte hatte er die ersten Sondierungskontakte durch seinen Referenten herstellen lassen. Phelim war mehr als angetan von den sich bietenden Möglichkeiten zurückgekehrt. Also hatte Ethan sich einverstanden erklärt, ihn anzuhören. Politisch gesehen war die Unterstützung, die Marius bot, sehr subtil und nicht mit Geld aufzuwiegen. Dank ihr war es Ethan möglich gewesen, innerhalb des Rats und unter den Klerikern des Orchard-Palastes Allianzen zu schmieden und sich so langsam, aber sicher in eine Position voranzuarbeiten, aus der heraus er sich mit weit größerer Zuversicht selbst zur Wahl vorschlagen konnte. Mitinbegriffen war das Angebot von Ultra-Antrieben für die Pilgerfahrtsschiffe, ein Geschenk, das dem Unternehmen den nahezu sicheren Erfolg bringen würde. All dies wurde ihnen aus freien Stücken angeboten, weil ihre »Ziele« sich angeblich ergänzten. Allerdings hatte Marius während der gesamten Zeit nicht eine einzige Andeutung darüber gemacht, welches die Ziele seiner Fraktion denn nun tatsächlich waren. Ethan wusste, er würde jetzt nicht mehr lange auf eine Antwort warten müssen; es würde interessant werden zu erfahren, wie hoch der Preis unter diesen Umständen war.
»Und trotzdem: Hat uns nicht die Leere selbst Justines essenzielles Menschsein demonstriert, und zwar durch ihre Reaktion auf Justines Gedanken?« Marius stellte die Frage fast beiläufig.
»Ein kleiner Traum«, erwiderte Ethan. »Ein flüchtiger Blick auf ihre missliche Lage. Sehr wahrscheinlich hat sie das Herz noch nicht gefunden oder auch nur einen Skylord. Wie ihr Eifer, diesen Stern zu erreichen, zeigt, befasst sie sich nur mit dem Materiellen.«
»Dennoch weist sie die mentalen Fähigkeiten auf, über die auch der Waterwalker verfügt.«
»Aber doch wohl kaum in der Stärke.«
»Sie war nach der Zeitrechnung der Leere bloß wenige Tage wach, und sie schien sich gut zu akklimatisieren.«
»Auch das bestätigt nur unsere Doktrin. Die Leere wird unsere Erlösung sein. Der Zweite Träumer wird uns unserer Bestimmung entgegenführen, so, wie es der Träumer Inigo immer wollte.«
»Ich glaube, wir wissen beide, dass es nicht der Zweite Träumer war, der uns diesen letzten, flüchtigen Blick ins Innere der Leere verschafft hat.«
»Ja«, gab Ethan zu.
»Weiß Living Dream, wer Justines Gedanken und Eindrücke empfangen hat?«
»Nein.«
Marius lächelte; bei seinem runden Gesicht und der schmalen Nase eine eher unangenehm wirkende Geste. »Noch ein Träumer, Conservator? Die scheinen ja allmählich alltäglich zu werden.«
»Drei Träumer in hundertsiebzig Jahren ist wohl kaum ›alltäglich‹. Aber ich halte es für bezeichnend, dass zwei von ihnen gerade jetzt so kurz nacheinander aufgetaucht sind. Die Ereignisse streben ihrem Höhepunkt entgegen, in Übereinstimmung mit der Vision des Träumers Inigo.«
»Natürlich. Es freut mich, dass der Zweite Träumer bewiesen hat, dass es möglich ist, in die Leere vorzudringen. Für Eure Bewegung ist dies gewiss überaus inspirierend.«
»Das ist es allerdings.«
»Und ich muss wohl nicht betonen, wie wichtig der Zweite Träumer für Euch ist«, fügte Marius hinzu. »Wie dicht steht Ihr davor, seiner habhaft zu werden?«
Ethan lächelte zurück in dieses kaum menschlich zu nennende Gesicht mit seinen ausdrucksleeren grünen Augen und dem humorlosen Ausdruck. » Ihrer habhaft zu werden. Richtigerweise.«
»Ach wirklich?«
»Ja. Wir glauben, eine eventuelle Kandidatin ausgemacht zu haben. Falls das Begrüßungsteam inzwischen ihre Identität ermitteln konnte, wird es ihr kaum mehr möglich sein, sich uns noch länger zu entziehen.«
»Meinen Glückwunsch, Conservator. Es muss Euch eine große Genugtuung sein, so dicht vor der Realisierung Eures Ziels zu stehen.«
»In der Tat.«
»Wie kommt Ihr mit dem Bau der Pilgerschiffe voran?«
»Auch in dem Punkt stehen die Dinge unter einem guten Stern. Alles verläuft nach Plan. Möchten Sie, dass ich eine Besichtigung für Sie arrangiere?«
»Leider wird die Zeit knapp. In mehr als einer Hinsicht.«
»Was meinen Sie?«
»Es wurde noch nicht offiziell bekanntgegeben, aber die Commonwealth-Navy hat ein Kriegsschiff der River-Klasse ausgeschickt, um die Ocisen-Flotte abzufangen. Sie sollten das Kommandoschiff außer Gefecht setzen und eine Warnung übermitteln.«
»Sollten?«
»Das Navy-Schiff wurde zerstört. Es scheint, als wären die
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