Das dunkle Universum 3 - Im Sog der Zeit
Geistesgegenwärtig versetzte der alte Sergeant mit seinem dritten Arm Kanseen einen Stoß. Gleichzeitig versuchte er nach hinten zu springen.
Dann sah Edeard sie auch. Direkt über sich. Eine schwarze menschliche Silhouette vor der grün leuchtenden Schönheit des Ku-Sternennebels. Edeard versuchte sich zur Seite zu rollen. Das, was von seiner telekinetischen Kraft übrig geblieben war, flammte noch einmal schwach auf, um ihn vor dem herabstürzenden Körper zu schützen.
Einen halben Meter von der Stelle, an der Edeard lag, schlug Medath auf. Chae indes hatte es nicht geschafft, sich ganz in Sicherheit zu bringen. Der Aufprall ging mit einem ekelhaften Knirschen einher, als zahllose Knochen barsten.
Mit leerem Blick starrte Edeard auf den formlosen Klumpen aus zerschmettertem Fleisch neben sich. Daneben lag Chae. Blut sickerte aus seinem schlaffen, offenen Mund. Unerträglich langsam bewegten sich die Augen des Sergeanten, um Edeard anzusehen.
Irgendwo, in weiter Ferne, weinte jemand. Es klang nach Kanseen.
»Sergeant?«, fragte Edeard.
»Oh, bei der Herrin«, antwortete Chaes Longtalk. »Einen Moment lang tat das eben echt weh.«
»Nein«, sagte Edeard. »Oh nein.«
Rasselnd stieß Chae seinen letzten Atemzug aus. Edeard versuchte, sich an das Bewusstsein des Mannes zu klammern, seine Fernsicht folgte den dahinschwindenden Gedanken. Als sie bis zur Auslöschung verebbt waren, lösten sie sich von dem Körper. Edeard erkannte Chaes spektrale Gestalt, die sich erhob, um über seinem eigenen Leichnam zu schweben.
»Sergeant?«, sandte Edeard verzweifelt aus.
»Oh gütige Herrin«, sandte die Geistererscheinung zurück.
»Sergeant!«
»Edeard?« Es war Dinlay, der neben ihm kniete: angsterfüllt, schreiend.
»Seht ihr ihn?«, flüsterte Edeard.
»Edeard, du stehst unter Schock. Versuch, dich auf mich zu konzentrieren.«
»Das ist kein Schock.« Er teilte seine Wahrnehmung mit ihnen. Ein kollektives Keuchen ging durch die um ihn versammelten Konstabler, als sie den sanft lächelnden Geist ihres Sergeanten erblickten.
»Ich kann es spüren, Edeard«, erklärte Chae. Er schaute nach oben, ergründete den Himmel. »So schön. Sie rufen mich. Die Sternennebel singen. Kannst du sie hören?«
»Nein«, sagte Edeard. Tränen liefen ihm über die Wangen. »Nein, das kann ich nicht.«
Eine Schar Mütter der Herrin von der Hauptkirche kam hinzu, die sehen wollten, was die Aufregung zu bedeuten haben mochte. Ihre besorgten Stimmen verstummten, als sie Edeards Wahrnehmung empfingen. Dann stand die Pythia selbst neben Chaes zerschmettertem Körper, einen Ausdruck gelassener Freude auf ihrem Gesicht. Zaghaft streckte sie eine Hand aus, versuchte den Geist zu berühren.
»Ich will nun gehen«, sprach Chae zu seiner verzückten Zuhörerschaft. »Ich muss. Hier gibt es für mich nichts mehr zu tun.«
»Ihr werdet dort oben verloren sein«, sagte Edeard zu ihm.
»Bleibt bei uns, bleibt, bis die Skylords zurückkehren, um Euch zu führen.«
»Der Gesang, Edeard, oh, dieser Gesang. Was für ein Willkommen harret unser.«
»Wartet! Bitte …«
Lächelnd blickte Chae auf ihn herab. Fast schien es so, als würde er ihn segnen. »Mach dir keine Sorgen um mich. Ich folge dem Gesang.«
»Möge die Herrin Euch sicher zum Herzen geleiten«, sagte die Pythia.
»Ich danke Euch, Gütige Mutter«, erwiderte Chae. Er griff hinauf in den Himmel, als ob der etwas wäre, das er halten und besitzen konnte. Seine Gestalt begann zu flackern. Als er seinen Blick zum letzten Mal nach unten richtete, trat ein Anflug von Verwunderung in seine phantomhaften Züge. »Wer seid ihr?« Dann wirbelte sein Umriss mit erstaunlicher Geschwindigkeit davon, höher und höher und den Sternennebeln entgegen, zu denen es ihn zog.
Mit einem letzten Schluchzen sank Edeard zurück. Und dann ergriff die Dunkelheit von ihm Besitz.
Das Bewusstsein kehrte in einem langsamen Strom von Wärme zurück. Edeard fühlte sich ganz und gar zufrieden dort, wo er lag, die Augen geschlossen und sein Geist völlig ruhig. Er atmete normal. War nicht sonderlich hungrig. Eine leichte Decke lag über ihm ausgebreitet. Was wollte man mehr?
»Kristabel«, sagte er, wissend, dass sie da war. Er hatte nicht einmal seine Fernsicht bemüht, er wusste es einfach.
»Du bist wach.« Ihre Finger strichen über sein Gesicht.
Er öffnete die Augen und sah, wie sie auf ihn herablächelte. Es war der schönste Anblick der Welt.
»Mach das nicht noch mal«, tadelte sie
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