Das dunkle Universum 3 - Im Sog der Zeit
aus Glas vorankämpfen würden.
Wie zuvor veränderte sich der Boden ohne jede Warnung, warf den Crawler ein ums andere Mal wild hin und her. Corrie-Lyn klammerte sich fester an ihren Sitz. Es war das fünfte Mini-Erdbeben in der vergangenen Stunde. Und sie kamen einander allmählich wieder näher.
»Tut mir leid«, sagte Corrie-Lyn. Sie saß neben Inigo, während dieser sie über die durch den Permafrost erstarrte Hügellandschaft zu steuern versuchte. Der lockere Schnee, der sich zu Dünen und in Spalten angesammelt hatte, wurde vom Wind langsam und methodisch in die Höhe gefegt und weiter verfestigt, während er in die Luft davongetragen wurde, um sich mit den atmosphärischen Turbulenzen zu vereinen. Inzwischen konnten sie durch die schmale Frontscheibe so gut wie überhaupt nichts mehr sehen, selbst die leistungsstarken Scheinwerfer schufen in dem gnadenlosen Blizzard kaum mehr als ein dämmriges Schimmern. Die Crawler-Sensoren erfassten den Weg vor ihnen nur mehr lächerliche fünfzehn oder zwanzig Meter weit. Seine biononische Feldscanfunktion taugte gerade mal als dürftige Ergänzung der Sicht.
»Nichts, wofür du dich entschuldigen müsstest«, versicherte Inigo ihr. Er streckte den Arm aus und ergriff ihre Hand. Corrie-Lyn lehnte sich an ihn.
»Wäre ich nicht hergekommen, wär das alles gar nicht passiert. Das Wiederherstellungsteam wäre immer noch am Leben. Und du hättest auch weiterhin Menschen retten können.«
»So funktioniert das Universum nun mal nicht. Man hätte mich gefunden, so oder so. Ich bin froh, dass du es warst.«
»Ich hab dich umgebracht.« Tränen strömten ungehindert über ihre sommersprossigen Wangen.
Inigo hielt den Ground Crawler an und legte seinen Arm um sie. »Das ist bloß Angst, was du empfindest. Du darfst niemandem die Schuld geben, am allerwenigsten dir selbst.«
»Wie kannst du nur so ruhig bleiben?«
»All das, was ich gesehen habe, was mir Edeard gezeigt hat; es gibt mir Hoffnung. Die Hoffnung stirbt nicht, nur weil ein Leben verloren geht, nicht einmal eine Million Leben. Die Menschheit wird weitermachen. Das haben wir schon so oft getan, und so wird es auch dieses Mal sein.«
»So dumm wie immer«, grummelte sie und wischte sich die Tränen ab.
Abermals nahm er ihre Hand, führte sie an sein Gesicht und leckte ihr die Nässe von den Fingern. »Das ist meine Corrie-Lyn.«
Sie schmiegte sich wieder an ihn. »Ich denke immer noch, dass das alles meine Schuld ist. Ich hätte mich niemals von diesem Psychopathen zu alldem überreden lassen sollen.«
»Nach dem, was du erzählt hast, hattest du nicht viele Alternativen.«
»Ich hätte zum Beispiel mutiger sein können. Ihn von ’ner Klippe runterstürzen können, so wie du.«
»Naja, am Ende hat’s ja keinen großen Unterschied gemacht, was?«
»Ich würde es vorziehen, meine letzten Augenblicke nicht unbedingt mit ihm zu verbringen, danke.«
»Noch sind wir nicht tot.« Inigo ließ sie los und wandte sich wieder der Steuerkonsole zu. »Nur noch zweihundert Kilometer bis zu meinem Raumschiff.«
»Du hast wirklich eins?«
»Ich hab wirklich eins. Cleveres Bürschchen, dieser Aaron, dass er das herausgefunden hat.«
Schlingernd setzte sich der Crawler wieder in Bewegung. Corrie-Lyn stand von ihrem Sitz auf, trat hinter Inigo und massierte ihm die Schultern. »Wie weit sind wir gekommen?«
»Ungefähr achtzig Kilometer in den letzten siebzehn Stunden.« Mit einem Nicken deutete er auf die Frontscheibe. »Es wird schlimmer da draußen. Ich schätze, die Erdbeben sind der Anfang der Implosion. Kein Wunder, dass die Atmosphäre verrücktspielt.«
»Wir werden es nicht schaffen, oder?«
»Nein.«
Sie beugte sich herab und biss ihn ins Ohr. »Hey, du bist ein Messias. Du solltest deine Schäfchen moralisch aufbauen.«
»Würden die Schäfchen sich eventuell mit Gewissheit zufriedengeben?«
»Ich dachte, es gäbe kein Absolutum.«
»Ich sehe schon, es wird nicht leicht, dich zu bekehren.«
Der Ground Crawler rumpelte bedrohlich, als sich die Landschaft draußen hob. Corrie-Lyns Griff wurde fester, während sie darum kämpfte, nicht auf den Metallboden geschleudert zu werden.
»Herrin«, grunzte Inigo. Das Projektionsportal zeigte Sensorbilder, die einen beinahe parallel zum Ground Crawler verlaufenden Riss im Erdreich erkennen ließen. An einigen Stellen war er über zwei Meter breit. Vor dem Beben war er noch nicht da gewesen.
Inigo erhöhte die Laufgeschwindigkeit der Ketten und brachte sie
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