Das dunkle Volk: Eishauch: Roman (Knaur TB) (German Edition)
entwickelt haben, so dass du bereit bist, Versprechungen zu machen.
Das hoffe ich, Ulean. Ich schauderte, als ich den Goldenen Wald verließ, und meine Tränen waren so schwer, dass sie nicht rollen wollten. Es sollte neun lange Jahre dauern, bis ich Grieve wiedersah, doch ich dachte jeden Tag an ihn, und mit jedem Tag wog die Erkenntnis, was ich aufgegeben hatte, schwerer.
Ich schloss die Augen und lehnte mich gegen die Duschkabine. Wäre ich damals doch nur geblieben … Aber hätte ich das Massaker vor dem Marburry-Grab verhindern können? Hätte ich den Hof von Schilf und Aue retten können? Wäre irgendetwas anders gekommen?
Nein. Ulean klang sehr bestimmt. Du hättest Myst nicht aufhalten können, aber sie hätte dich wahrscheinlich vernichtet, wenn du es versucht hättest. Du warst noch nicht so stark wie heute. Du wusstest damals schon, dass der Zeitpunkt nicht der richtige war. Du hast getan, was du musstest.
Sie hatte recht. In den zwei Jahren, die ich nach Krystals Tod allein unterwegs gewesen war, war ich noch stärker, noch unabhängiger geworden.
Ich trat aus der Dusche und griff nach dem Handtuch. Wenn man es genau nahm, hatte Krystal mich auf ihre vermurkste Art auf dies hier vorbereitet: Sie hatte mir beigebracht, nur mir selbst zu vertrauen und immer auf eigenen Füßen zu stehen.
Ich trocknete mich ab und kehrte in mein Zimmer zurück. Ein Foto von Heather und Krystal auf meinem Schreibtisch ließ mich innehalten. Meine Tante und meine Mutter – die verlorenen Schwestern. Waren Rhiannon und ich ebenso verdammt? Hatte das Schicksal für uns vorgesehen, dass wir am Ende unglücklich sein, unsere Liebe und vielleicht sogar unser Leben frühzeitig verlieren sollten?
Ihr befindet euch im Krieg. Der Krieg ist nie leicht und selten hübsch. Ulean wehte um mich herum. Bleib in der Gegenwart. In die Zukunft zu schauen schadet öfter, als dass es nützt, und in der Vergangenheit zu verweilen macht nur melancholisch.
Du hast recht. Ich werde stark sein. Ich werde dich – und meine Cousine und Grieve – nicht enttäuschen …
Als ich endlich nach unten ging, hatte mir Rhiannon auf der Küchentheke etwas zum Frühstück hingestellt. Ich konnte sie durchs Fenster draußen Schnee fegen sehen.
Kaylin schlenderte herein. Er trug eine Camouflage-Cargohose und ein schwarzes, ärmelloses Ripp-Shirt, das seine gut definierten Muskeln zur Geltung brachte. Er bedachte mich mit einem langen Blick. »Was war los?«
Mir war nicht nach Reden. Zum einen, weil ich mir nicht sicher war, was während meines sogenannten Traums wirklich geschehen war. Und selbst wenn ich ihm davon berichtete, würde Kaylin doch ohnehin nur sagen, was alle anderen auch sagten: Vergiss Grieve, lass los und nimm hin, dass Myst gewonnen hat. Aber genau das würde ich nicht tun.
»Sieht aus, als hätte Rhiannon Frühstück gemacht.« Ich schaufelte mir Speck und Toast auf einen Teller, fügte ein hartgekochtes Ei hinzu und ging zum Tisch.
Kaylin machte sich ein Käse-Ei-Sandwich und gesellte sich zu mir. »Ich habe gehört, was gestern Nacht passiert ist.«
Mein Kopf fuhr entsetzt hoch. »Gestern Nacht?« Hatte ich etwa Geräusche gemacht?
»Ja, das mit Lannan und allem. Willst du reden?«
»Oh. Lannan. Klar.« Ich war mir nie wirklich sicher, was ich von Kaylin halten sollte. Er war hundertundein Jahr alt, Kampfkunstmeister und Computer-Freak, und er war Traumwandler. Ein Nachtflor, ein Dämon, hatte sich in seinen Körper und seine Seele eingepflanzt, als er noch im Mutterleib gewesen war, und sein Erbgut verändert. Manchmal dachte ich, dass er vielleicht auf mich stand, aber es mochte auch sein, dass er nur freundliches Interesse zeigte. Jedenfalls konnte er einem ausgesprochen private Informationen entlocken, wenn er helfen wollte.
Ich schluckte einen Bissen Toast herunter und leckte mir die geschmolzene Butter von den Fingern, dann erzählte ich ihm von Geoffreys Angebot und Lannans Reaktion. »Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich will kein Vampir sein, daher interessiert mich Geoffreys Vorschlag auch nicht. Aber ich sehe auch nicht ein, dass Lannan denken darf, er hätte irgendeinen Besitzanspruch auf mich. Ich habe mich vertraglich an den Karmesin-Hof gebunden, nicht an ihn persönlich.«
»Die Grenze ist allerdings fließend, würde ich sagen. Lannan ist zwar nicht dein Meister, aber er hat die Option für Strafmaßnahmen, falls du Geoffrey oder Regina nicht gehorchst. Und er ist sehr gut darin,
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