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Das dunkle Volk: Eishauch: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Das dunkle Volk: Eishauch: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Das dunkle Volk: Eishauch: Roman (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmine Galenorn
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an den man unvorbereitet geht – ganz egal, welcher Rasse man angehört.«
    Nach einem Augenblick schloss er die Augen und streckte die Arme vor sich aus. Zögernd trat er einen Schritt vor, wandte sich nach links und schlug die Augen wieder auf.
    »Da bist du ja!« Durch ein Winken und geflüsterte Worte, die ich nicht richtig verstehen konnte, erschien an der Felswand ein Torbogen. Chatter wandte sich wieder zu uns um. »Das ist das Portal. Sobald wir hindurchgehen, müsst ihr auf der Hut sein. Bleibt unbedingt in meiner Sichtweite. Am Hof der Träume kann man sich nur allzu schnell verirren. Dort lauern Alpträume, aber auch Herzenswünsche, und manchmal überschneiden sie sich. Ich kenne den Weg zum König der Träume, also folgt mir. Es ist nicht weit vom Eingang.«
    Ich trat hinter ihn, Peyton bildete das Schlusslicht, und ohne ein weiteres Wort überschritten wir nacheinander die Schwelle des Portals.
    Zunächst war alles schwarz und fühlte sich an, als befände ich mich in einem Strudel aus endloser Nacht. Doch langsam, aber sicher begann ich, Farben auszumachen und funkelnde Lichter, die schneller aufleuchteten und verloschen, als ich hinsehen konnte. Mein Magen hob sich, als sei ich auf hoher See in einem Boot, das von sich auftürmenden Wellen getragen wurde. Meine Füße hatten keinen festen Boden unter sich, kein bisschen Widerstand, und dann war es, als würden wir mit hundert Meilen pro Stunde dahinrasen, so dass die Funken zu Leuchtspuren wurden.
    Chatter konnte ich vor mir kaum erkennen, und als ich Peyton zu fragen versuchte, ob sie noch da war, kam kein Laut aus meinem Mund.
    Nach einer Weile ließ das wilde Farbenspiel nach, und von einem Moment auf den anderen trafen meine Füße auf Grund, und ich plumpste gegen Chatters Rücken. Wir standen in einem diesigen Tal, und zäher Nebel wallte knietief über den Boden.
    Hastig drehte ich mich um und war erleichtert, Peyton hinter mir zu sehen.
    »Alles okay mit euch beiden?«, fragte Chatter.
    Wir nickten. Ich blickte über seinen Kopf hinweg. Der Himmel war bedeckt, keine Sonne war zu sehen. Ich hatte keine Ahnung, ob sie hier überhaupt eine Sonne hatten, aber das Land war in eine Mischung aus Schatten und den Farben der Dämmerung getaucht. Hier und da standen vereinzelte Bäume mit ausladenden, kargen Kronen, und aus dem Bodennebel, der die Gegend einhüllte, so weit das Auge reichte, ragten Felsbrocken.
    »Kommt mit, und sprecht mit niemandem, der an euch vorbeikommt, es sei denn, ich gebe euch das Okay dazu. Hier lauern Gefahren, die ich euch nicht beschreiben kann.« Er sah sich vorsichtig um und schätzte die Umgebung ab, dann winkte er uns, ihm nach rechts zu folgen.
    Wir bewegten uns durch den Nebel, ohne dass wir sehen konnten, wohin wir traten. Ich hatte Angst, über eine Wurzel oder einen Stein zu stolpern, aber der Grund war offenbar plan und glatt, und Chatter schien Hindernisse instinktiv zu umgehen. Ich hielt mich dicht hinter ihm und folgte exakt seinen Schritten, und Peyton hinter mir schien es ebenso zu machen.
    Als wir an eine Weggabelung kamen, schlug Chatter den linken Pfad ein, aber zu meiner Rechten weckte etwas meine Aufmerksamkeit. Ich sah hin und schnappte nach Luft.
    Dort stand meine Mutter, Krystal, und breitete die Arme nach mir aus.
    »Aber wie … was …?« Ich starrte sie an und wollte es so dringend glauben, wollte, dass es sich wirklich um sie handelte, und doch wusste ich, dass sie tot war. Wie war das möglich? War sie ein Geist? Oder hatte ich Halluzinationen?
    Ich spürte, wie ich wie hypnotisiert von ihrer plötzlichen Gegenwart den Weg, den wir eingeschlagen hatten, verließ. Krystal, meine Mutter. Krystal, die Frau, die mir nie eine Mutter war. Nun trug sie ein locker fallendes Kleid, das so ätherisch wie der Nebel aussah. Ihr Haar fiel ihr offen über die Schultern, war aber nicht mehr strähnig. Sie lachte mich an, als sie mich sah, und ihr Blick war herzlich und nicht länger stumpf von Crack und Heroin.
    »Liebling, du hast mir so gefehlt. Es tut mir so leid, dass ich dich verlassen musste, bitte vergib mir. Bitte gib mir noch eine Chance, all die vielen unglücklichen Jahre wiedergutzumachen.«
    Sie ist wunderschön, dachte ich, blieb jedoch abrupt stehen. Irgendwas stimmte nicht.
    Cicely! Cicely, kannst du mich hören? Cicely!
    Von fern rief mich jemand. Doch das Gesicht meiner Mutter füllte mein Gesichtsfeld aus, und ich bewegte mich weiter auf sie zu, wollte mich in ihre Arme schmiegen.

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