Das dunkle Volk: Eishauch: Roman (Knaur TB) (German Edition)
Tage lang nichts mehr zu dir genommen und bist körperlich an deine Grenzen gegangen. Natürlich hast du einen Mordshunger. Ich wette, du hast bei dem Trip mindestens zwei Kilo verloren.«
»Als Diät dennoch nicht empfehlenswert. Außerdem will ich keine Muskelmasse abbauen. Erinnere mich daran, dass ich das nächste Mal, wenn ich mit Chatter losziehe, ein paar Eiweißriegel einstecke.« Ich machte mich über einen Pfannkuchen her. »Hmmm … himmlisch. Ich liebe Ahornsirup.«
»Ich auch.« Rhiannon verstummte einen Moment lang. Dann: »Nicht dass ich dich auf unangenehme Dinge bringen will, aber was, meinst du, kann Lannan wollen?«
Ich nahm einen großen Schluck Tee und schnitt eine Grimasse über den bitteren Nachgeschmack des Baldrians, aber ich wusste, dass er mich beruhigen und mir einen tiefen Schlaf verschaffen würde.
»Ich weiß sehr gut, was er will. Er will mich vögeln, mich demütigen und auf Knien rutschen sehen. Darauf holt er sich einen runter. Aber davon abgesehen? Keine Ahnung. Ich traue ihm nicht über den Weg, aber er kann uns helfen, und ich bin vertraglich an ihn gebunden. Verträge mit den Vampiren können gerichtlich durchgesetzt werden.«
»Ja, weiß ich.« Sie spielte mit der Serviette, die auf dem Tablett lag, und verdrehte die Zipfel. »Trink den Tee – Leo sagt, er sei gut für dich.«
Ich nickte, kippte erst den Orangensaft herunter, dann machte ich mich über den heißen Tee her. Er roch schwach nach Lakritze, nach Erde, Stein und Wurzeln, und durch die Bitternis schmeckte man den Sommer der Kamillenblüte. Nach wenigen Schlucken schon hörte der Wolf zu knurren auf, als sowohl Salbe als auch Tee ihre Wirkung in meinem Körper entfalteten.
»Ich frage mich, wie sich das alles auf Kaylin auswirkt. Der Nachtflor, den wir geweckt haben, ist mächtig – mächtig und chaotisch, und er wollte sich nicht unterwerfen.« Ich zuckte mit den Achseln. »Er wird den Kaylin, den wir kennen, verändern, und ob die Veränderung Gutes oder Schlechtes bewirkt, lässt sich nicht sagen.«
Inzwischen konnte ich kaum noch die Augen offen halten. Rhia schlug mir das Bett auf. »Komm, leg dich hin und denk erst einmal nicht mehr daran. Denk an gar nichts mehr. Du brauchst Schlaf.«
Ich schlüpfte ins Bett, und sie deckte mich zu, als sei ich ein Kind. Von draußen hörte ich den Uhu in der Eiche locken, doch bevor ich seinem Sirenengesang antworten konnte, driftete ich weg und schlummerte ein.
»Cicely. Cicely Waters.«
Ich blinzelte und erwartete Morgenlicht zu sehen, aber als ich mich aufsetzte, befand ich mich inmitten eines wirbelnden Strudels. In seinem Zentrum in einiger Entfernung saß eine Gestalt und holte mich heran wie an einer Angel, und ein plötzliches Ziehen in meinem Bauch machte mir deutlich, dass ich nichts mit ihr oder mit dem, was sie repräsentierte, zu tun haben wollte.
»Bring sie her«, sagte die Gestalt und krümmte sich wie eine Spinne. »Bring sie näher zu mir, damit ich ihre Zukunft lesen kann.«
»Wie du willst.« Die samtige Stimme an meiner Seite war zu samtig – zu glatt –, und ich fuhr herum, um mich Lannan gegenüberzusehen. Er lächelte träge und zwinkerte mir zu. »Mein süßer kleiner Saftkarton. Rate mal, wo wir hingehen.«
Und da wusste ich es – er wollte mich zu Crawl, dem Blutorakel, bringen.
»Nein! Ich komme nicht mit. Du kannst mich nicht zwingen, mir diese Freakshow noch einmal anzutun!« Ich wehrte mich gegen ihn, wand mich, aber er hielt mich fest und zog mich zu sich, und in seinen nachtschwarzen Augen blitzte ein Feuer.
»Gib dich mir hin. Knie vor mir nieder. Erkenne meine Überlegenheit an. Widerstehst du mir, machst du mich nur wahnsinniger. Weigerst du dich, dich meiner Macht unterzuordnen, weckst du in mir nur den Wunsch, deinen Willen zu brechen. Hör auf, dich aufzulehnen – gegen mich hast du keine Chance!« Er schleuderte mich zu Boden, und ich wimmerte unwillkürlich, als ich sah, dass er seinen Gürtel öffnete. »Gut so, meine Schöne. Ich gebe dir einen Grund zu winseln.«
Doch durch den Windschatten drang plötzlich Crawls kratzige Stimme, und es klang wie leere Schoten, die im Wind raschelten.
Bring sie zu mir. Sie ist Dreh- und Angelpunkt in diesem Krieg. Bring sie zu mir, und zwar sofort. Das Blut rinnt wie der Sand der Zeit, und unser Volk ist in Gefahr. Das Mädchen ist der Schlüssel zum Sieg. Lannan sah zu Crawl, dann auf mich herab, dann machte er den Gürtel wieder zu, packte mich am Handgelenk und zog
Weitere Kostenlose Bücher