Das dunkle Volk: Eishauch: Roman (Knaur TB) (German Edition)
und soweit ich es beurteilen konnte, war sie längst nicht so widerstandsfähig wie ich.
Ich knotete den Gürtel des Frotteebademantels zu, schlüpfte in flauschige Pantoffeln und folgte ihr hinunter in die Küche.
Unten standen Eier, Schinken und Toast bereit für ein ausgiebiges Frühstück, und an einem Becher lehnte ein Umschlag mit einem blutroten Rosensiegel, auf dem mein Name stand. Ich erkannte die geschwungene Schrift wieder: Sie stammte von Regina, Lannans Schwester.
Ich starrte den Umschlag an, ohne ihn zu nehmen. Ich wollte nicht. Ich wollte einfach nicht wissen, was die Vampire nun wieder von mir wollten. Ich war eine Spielfigur, ihr Pfand und ihre Hoffnung in diesem Krieg, und nach dem Traum der vergangenen Nacht wäre ich am liebsten davongekrochen, um mich irgendwo zu verstecken. Doch schließlich öffnete ich den Briefumschlag und zog ein einzelnes Blatt handgeschöpften Papiers heraus, außerdem zwei Schecks.
Auch diesen Brief hatte Regina geschrieben.
Cicely, anbei dein monatliches Gehalt. Erweise uns bitte die Ehre, heute Abend zu einer kleinen Soiree zu kommen, zu der auch Leo Byrne und deine Cousine Rhiannon gebeten werden. Abendgarderobe wird erwünscht. Nimm das beiliegende Geld, um dir etwas Passendes zu kaufen. Lannan verlangt etwas Schwarzes mit roten Accessoires.
Um 19.30 Uhr wird eine Limousine vorfahren. Wir erwarten dich. Mit freundlichen Grüßen, Regina
Ich schluckte einen Bissen Toast herunter und starrte die beiden Schecks an. Der eine über zweitausendfünfhundert Dollar war mein Lohn für den zweiten Monat erzwungener Dienstbarkeit. Der andere war über dreitausend Dollar ausgeschrieben, und während ich noch fassungslos auf den Betrag blickte, wurde mir bewusst, dass die Schrift darauf nicht Reginas war, und Geoffreys genauso wenig, denn seine kannte ich von meinem Gehaltsscheck.
Lannan … also musste er von Lannan kommen. Was bedeutete, dass er etwas plante, bei dem ich eine Rolle spielte. Wütend faltete ich die Schecks und steckte sie in meine Tasche. Ich musste gehorchen – ich gehörte ihm ja praktisch. Aber niemand konnte mich zwingen, Gefallen daran zu finden.
»Na toll«, sagte ich zu Rhiannon. »Du, Leo und ich müssen heute Abend auf einer Cocktailparty bei Geoffrey erscheinen.«
Sie schauderte. »Da fragt man sich doch unwillkürlich, was für Cocktails wir dort serviert bekommen. Können Vampire Alkohol trinken?«
»Keine Ahnung«, antwortete ich leise. »Aber Vertrag hin oder her, Bloody Marys werde ich heute Abend bestimmt nicht zu mir nehmen.«
Rhiannon prustete los. »Nein danke, ich auch nicht.« Sie warf einen Blick auf die Uhr. »Ich denke die ganze Zeit immer, ich müsste arbeiten, aber die Schule ist ja bis nach Neujahr geschlossen. Also … was hast du heute vor?«
Ich dachte an das Geld, das mir förmlich ein Loch in die Tasche brannte, und zuckte mit den Achseln. »Da Peyton und ich länger unterwegs gewesen sind, als wir erwartet hatten, haben wir die Eröffnung unseres Geschäfts verschoben. Sie muss heute für Anadey arbeiten. Wie wäre es, wenn du und ich shoppen gehen? Ich gebe einen aus.« Und zum ersten Mal seit langer Zeit musste ich lächeln. Lannan, dieser Mistkerl … Obwohl es mir widerstrebte, ihm einen Grund für Selbstzufriedenheit zu geben, war der Gedanke, ein paar Stunden mit meiner Cousine durch Geschäfte zu streifen und irgendwo in einem netten Lokal zu essen, einfach nur himmlisch.
»Da sag ich nicht nein«, erwiderte Rhia. »Iss auf und zieh dich an, dann spüle ich in der Zwischenzeit das Geschirr.« Also putzte ich meinen Teller leer, zwängte mich oben in eine enge Jeans und einen Rollkragenpullover, und schon waren wir unterwegs ins Einkaufszentrum.
9. Kapitel
D ie New Forest Mall war nicht anders als die meisten Malls in diesem Land: Hier mischte sich das Langweilige, aber Notwendige (Haushaltsgeräte, Discounterklamotten, die üblichen Filialen der großen Modeproduzenten) mit dem Leckeren (Fastfood von öde bis köstlich) und dem Pseudo-Exklusiven (Spitze & Leder, Scharf, Versailles Vamp und Zauberwelt).
Es waren einige Leute unterwegs – keine Vampire natürlich –, aber alle schienen paarweise aufzutreten oder sogar in Gruppen, und eine allgemeine Anspannung lag über allem. Was in Anbetracht der Todesfälle, die sich in den vergangenen Tagen ereignet hatten, wohl kein Wunder war.
Rhiannon und ich navigierten geschickt durch die Menschenmenge, bis wir zu Slither kamen. Ich straffte die Schultern
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