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Das dunkle Volk: Mondschein: Roman (German Edition)

Das dunkle Volk: Mondschein: Roman (German Edition)

Titel: Das dunkle Volk: Mondschein: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmine Galenorn
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nach Reue oder schlechtem Gewissen, fand aber nichts. Er hatte uns töten wollen, und er hätte nicht gezögert, uns in Stücke zu reißen. »Dieses Gestaltwandeln … was meint ihr, holen sie sich so ihre Nahrung?« Und wenn dem so war, verwandelte sich auch Grieve?
    »Ja«, sagte Rhiannon, die sich neben mich stellte und ebenfalls auf den Mann hinabstarrte. »Aber mach dir keine Sorgen. Grieve ist keine gebürtige Indigo-Fee. Ich glaube nicht, dass er so etwas auch tut.«
    Wahrscheinlich war das eine fromme Lüge und dazu gedacht, mich zu beruhigen, aber im Augenblick war ich sehr froh darum. Ein rascher Blick zu ihr sagte mir, dass sie sich gut hielt. Anadey hatte in der kurzen Zeit echte Wunder bewirkt, und ich freute mich schon darauf, Rhiannon zu erleben, wenn sie ein paar Monate hatte trainieren können. Meine Cousine würde eine Wahnsinnshexe sein.
    »Meinst du, dass er Schmerzen hatte, weil er sich im Tageslicht aufhielt? Obwohl wir unter so einer dichten Wolkendecke sind? Wenn er infiziert ist mit dem, was Lainule und Lannan zusammengemixt haben …« Leo hockte sich neben den Schattenjäger und begann, seine Sachen zu durchsuchen. Auf meinen fragenden Blick zuckte er mit den Achseln. »Vielleicht hat er etwas bei sich, das wir nutzen können.«
    Und so schnell, wie wir Mörder geworden waren, wurden wir nun auch Plünderer.
    Leo hielt ein seltsames Messer hoch, das offenbar aus Obsidian bestand. Die Klinge sah so scharf aus, dass ich fast nicht wagte, sie zu berühren, und als ich es doch tat, sickerte die Energie sofort in meine Glieder, und mir wurde kalt. Fast hätte ich die Hand weggerissen, aber das wäre ein gefährlicher Fehler gewesen, und ich konnte mich gerade noch beherrschen. Die Energie drang in mich, wand sich um meine Nerven, sog mich in eine Taubheit, die sich merkwürdig bekannt anfühlte.
    »Hilf … mir …« Die Wörter waren wie dicke Schnecken in meinem Mund, und mein Kopf rollte zurück, und ich sank wieder auf die Knie.
    Kaylin nahm mir die Klinge von der Handfläche. »Deine Augen … sie haben sich eben verändert, wurden wie … ich weiß nicht genau, zu was. Aber da war etwas.«
    Der Nebel begann sich zu heben. Ich schüttelte den Kopf. »Gebt mir das bloß nicht noch einmal in die Hand. Das jagt mir eine Heidenangst ein.« Es war ein Gefühl gewesen, als versänke man in Treibsand, ginge in einer Teergrube unter, als würde man bei lebendigem Leib verschlungen. »Aber wir müssen trotzdem wissen, was das ist. Fällt uns irgendwas ein, wie wir es sicher transportieren können?«
    Kaylin nickte und nahm seinen Rucksack ab. Er holte ein kleines Kästchen heraus, steckte das Messer hinein und wickelte ein Gummiband darum. Schließlich tat er es zurück in den Rucksack.
    »Das sollte eigentlich reichen. Aber ja, du hast recht, wir sollten besser herausfinden, was zum Teufel das eben war.« Er streckte die Hand nach mir aus und rieb mir über den Arm, und ich schauderte. Kaylin hatte definitiv etwas, und wenn ich nicht mit Grieve zusammen gewesen wäre, dann wäre ich ihm so was von gern nähergekommen. »Alles gut?«
    »Ja, aber wir sollten besser die Augen aufhalten. Wenn ein Schattenjäger hier herumlungert, dann tun es sicher auch noch andere. Und sie scheinen nicht gerade sehr glücklich zu sein, was uns allerdings verrät, dass Lainules Plan aufgeht – zumindest bis zu einem gewissen Grad.«
    Wir setzten unseren Weg hinab fort. Ich passte noch mehr auf, wohin ich trat, und im dichten Schneefall, der jedes Geräusch dämpfte, stiegen wir schweigend bis zum Grund hinunter. Der Bach war inzwischen zu Eis erstarrt, obwohl ich der Schicht nicht zutraute, unser Gewicht zu tragen, und so balancierten wir letztlich doch wieder über die Trittsteine, um am anderen Ufer den Anstieg in Angriff zu nehmen.
    »Schaut mal«, flüsterte Rhiannon. Ich folgte ihrem Blick.
    Zwischen zwei hohen Tannen spannte sich ein enormes Spinnennetz. An den Fäden funkelten Unmengen winziger gefrorener Wassertröpfchen und bildeten ein Kunstwerk aus Eis und Seide, ein Ehrenmal für Arachne, ein Tribut an die Beharrlichkeit. Es war riesig, mindestens vier Meter von unten nach oben, und es spannte sich gute fünf Meter von Baum zu Baum. Ich fröstelte. Und wartete.
    Langsam kam hinter einem Baum der Erschaffer des Werks, der Bildhauer, hervor. Der Korpus der Spinne hatte locker die Größe einer Salatplatte, und die Spindelbeine streckten sich einen guten halben Meter. Die Radnetzspinne war milchig

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