Das dunkle Volk: Mondschein: Roman (German Edition)
weiß mit goldenen Flecken, und nun hastete sie ins Zentrum ihres Netzes. Eine andere gesellte sich hinzu, dann noch eine, und dann hockten alle drei dort und beobachteten uns.
»Gottverdammte Mistviecher.« Der Anblick verschlug mir den Atem. Ich mochte Spinnen grundsätzlich nicht, aber diese stießen mich mehr ab als alle, die ich bisher gesehen hatte. Eine Welle der Bösartigkeit ging von ihnen aus und rollte auf uns zu.
Ihr Biss ist tödlich … es sind keine normalen Radnetzspinnen. Sei ganz vorsichtig, denn das da sind Mysts Schoßtiere. Schneespinner. Ulean fegte in einem kalten Windstoß an mir vorbei und wirbelte Flocken und Eispartikel auf.
Ich nickte. Es fiel mir schwer, meine Augen abzuwenden, denn die Spinnen waren schön und schrecklich zugleich, und ihre Energie funkelte und lockte mich, doch näherzukommen.
Cicely, sie hypnotisieren dich. Bitte sag etwas, reiß dich aus ihrem Bann heraus. Sprich mit mir, Kind. Sprich.
Jemand schnappte keuchend nach Luft, und ich begriff, dass ich es selbst war: Ich hatte den Atem angehalten und meinem Körper das Kommando überlassen. Energisch schüttelte ich mich aus der Trance und wandte mich zu den anderen um.
»Schaut sie nicht zu lange an – sie können euch irgendwie in den Bann ziehen, zu sich locken und töten. Oder in Kokons weben und für Myst aufbewahren. Sie gehören ihr.« Ich schüttelte erst Rhiannon, dann Kaylin und Leo, um mich zu vergewissern, dass sie nicht auch weggetreten waren.
»Du meinst, sie weiß, dass wir hier sind? Sind die Spinnen ihre Augen und Ohren?«
»Eulen und Spinnen können einander nicht ausstehen«, flüsterte ich und sah über die Schulter zurück, um mich zu vergewissern, dass sie noch in ihrem Netz hockten. Und als ich sie nun betrachtete, hatte ich plötzlich den Wunsch, das Netz herunterzureißen. Es kam mir vor wie überreifes Obst, wie eine klebrige Süßigkeit, auf der sich durchscheinende Fliegen festgesetzt hatten.
»Und du bist eine Uwilasidhe, eine vom Eulenvolk.« Kaylin starrte die Insekten an. »Sollen wir versuchen, sie zu töten? Oder ist es dazu jetzt zu spät?«
»Ich denke, wir sollten uns fragen, ob wir sie überhaupt töten können.« Wir sahen einander in die Augen und verstanden uns ohne Worte. Er schüttelte langsam den Kopf, und ich nickte bestätigend. »Nein. Lassen wir sie. Ich habe das unangenehme Gefühl, wir würden ohnehin nur russisches Roulette spielen.«
Du hast recht, sie sind viel stärker, als du es dir vorstellen kannst. Feuer kann ihnen auch nichts anhaben, also sollte deine Cousine ihre Flamme bei sich behalten. Pass nur gut auf, wohin du trittst. Hier sind noch mehr im Wald.
Ich wirbelte herum und sah gerade noch, wie Rhiannon einen Molotow-Cocktail aus der Tüte zog. »Nicht!« Ich bedeutete ihr, die Flasche wieder wegzustecken. »Ulean hat mir gerade gesagt, dass das Feuer nichts nützen würde. Ihre Magie ist zu stark. Sie werden aber in ihrem Netz bleiben. Wir sollten nur aufpassen, wohin wir gehen, damit wir uns nicht versehentlich in einem anderen Netz verfangen. Offenbar gibt es hier in der Gegend noch mehr von ihnen.«
Wir setzten uns erneut in Bewegung, doch jetzt wusste Myst vermutlich, dass wir kamen, zumal wir einen der Ihren getötet hatten. Die Fürstin der Verwüstung wartete auf uns. Mit offenen Armen und gebleckten Zähnen.
24. Kapitel
W ir erreichten den Kreis der Pilze und umgingen ihn sorgsam. Da der Pfad nun verschneit war, passten wir besonders gut auf. Einige Fußspuren hier und da verrieten uns, dass erst kürzlich jemand vorbeigekommen war. Als wir hinter dem Kreis abbogen, hörte ich ein Geräusch aus den Büschen. Bevor ich meinen Fächer heben und mich bereitmachen konnte, trat Chatter hinter einem Baum hervor.
»Chatter!«
Er eilte zu uns. »Etwas ist geschehen – Grieve ist krank. Überall siechen Indigo-Feen dahin. Das Licht schadet ihnen plötzlich, und sie können nicht hinaus in den Tag, aber selbst im Dunkeln geht es ihnen nicht wesentlich besser.«
Rhiannon strich ihm sanft über den Arm, was ihn zu beruhigen schien. »Es war keine Absicht. Cicely wusste nicht –«
»Rhia, hör auf!« Ich durfte Chatter nicht verraten, was geschehen war – auch Grieve nicht. Lainule würde mir den Kopf abreißen, wenn ich verriet, was sie mir anvertraut hatte. »Chatter, wie geht’s Grieve? Ich habe schon geahnt, dass er krank ist. Meine Wolfstätowierung hat den ganzen Morgen geklagt.« Hier eine Trickserei, dort eine kleine Lüge …
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