Das dunkle Volk: Mondschein: Roman (German Edition)
im Allgemeinen stolz ist. Krystal war abhängig. Cracksüchtig. Und das Geld für den Stoff hat sie als Bluthure aufgetrieben. Ihr letzter Freier ist durchgedreht und hat sie ausgesaugt. Als ich sie fand, lag sie in einer Pfütze aus Blut und Urin.« Ich zuckte mit den Achseln. »Ich kann Vampiren nicht besonders viel abgewinnen. Oder Dealern.«
Rhiannon warf mir einen Blick zu. »Stört es dich, dass Leo Tagesbote ist?«
Erneut zuckte ich mit den Achseln. »Ich hatte noch nicht wirklich genug Zeit, darüber nachzudenken, weiß also nicht, was ich von dem Job halte. Aber Leo mag ich.«
Anadey unterbrach uns. »Es tut mir leid, das von deiner Mutter zu hören. Krystal hatte viel Potenzial. Aber konzentrieren wir uns lieber auf Heather. Erzählt mir alles, was wichtig sein könnte. Vielleicht kann ich helfen.«
Rhiannon sah mich fragend an, und ich nickte. Wir durften unser Geheimnis nicht länger für uns behalten. Wir waren keine Kinder mehr, sondern erwachsene Frauen.
Ich holte tief Luft. »Alles begann, als Rhiannon und ich gerade erst sechs waren und zum ersten Mal in den Spinnenwald gerieten …«
Rhiannon lief hinter mir her und schaute immer wieder über ihre Schulter, um zu sehen, ob uns jemand in den Wald folgte. Der Pfad war in diffuses Licht getaucht, und das war er immer, wie viel Sonne auch durch die Baumkronen drang. Tante Heather hatte uns schon tausendmal gewarnt, dass wir nicht in den Wald gehen sollten, aber meiner Mutter war es gleich – sie war ohnehin nie da, immer auf irgendeiner Party oder anderswo unterwegs. Also hatte ich Rhiannon überredet, mit mir zu kommen. Und nun hatten wir ein tolles Geheimnis.
Wir waren sechs, und die Bäume schienen in den Himmel zu wachsen. Wenn wir nur hoch genug hinaufkletterten, würden wir vielleicht Asgard finden. Heather nannte es die Heimat der Götter, meine Mutter behauptete, es existiere nicht. Aber wer von beiden auch recht haben mochte, ich hatte keine Angst, und nachdem wir ein paarmal im Wald gewesen waren, fürchtete auch Rhiannon sich nicht mehr. Wir waren Magiegeborene, Hexentöchter, was sollte uns schon passieren?
Obwohl Mutter gar keine Hexe sein will, dachte ich. Schon oft hatte ich nachts, wenn alle dachten, ich würde schlafen, Streit zwischen Heather und meiner Mutter mit angehört.
»Krystal, du darfst dein Erbe nicht länger verleugnen. Die Kraft wird dich vernichten. Du kannst sie nicht für immer und ewig unterdrücken. Ganz zu schweigen davon, dass du eine Verantwortung deiner Familie gegenüber hast. Der Dreizehn-Monde-Gesellschaft. Und vor allem hast du eine Verantwortung deiner Tochter gegenüber, die eine Ausbildung bekommen muss.« Heathers Vorwürfe hallten durchs Treppenhaus.
»Ach, verpisst euch, du und deine Gesellschaft«, erwiderte meine Mutter. »Familientradition oder Zauberkräfte, das ist mir so was von egal. Ich habe schließlich nicht darum gebeten, mit diesen beschissenen Fähigkeiten auf die Welt zu kommen, und manchmal wünsche ich, ich könnte sie mir aus dem Kopf reißen. Weißt du eigentlich, wie das ist, wenn man dauernd Stimmen hört? Stimmen von Leuten, die dich verachten? Die dich für eine Schlampe halten, nur weil man ein bisschen Spaß will? Weißt du, wie das ist?«
Ein Murmeln von Heather, dann wieder Krystals Stimme. »Tja, nun, das jedenfalls höre ich jeden Tag, sobald ich das Haus verlasse. Und das Einzige, was hilft, um es auszublenden, sind Schnaps und Pillen, und glaub mir, meine Liebe, ich beuge mich lieber einer guten Flasche Roten als dieser jämmerlichen Gesellschaft oder dieser selbstgerechten, prüden alten Vettel!«
»Marta macht sich einfach nur Sorgen um dich –«
»Dann sag ihr, sie soll’s lassen.«
Und dann stampfte Krystal aus dem Haus, warf die Tür hinter sich zu, und meine Tante begann zu weinen. Manchmal allerdings weinte sie auch nicht, sondern brummelte wütend vor sich hin, während sie hinauf in ihr Zimmer ging. Der Windhauch trug die Worte bis zu mir.
»Beeil dich«, drängte ich Rhiannon, die zurückgeblieben war. »Grieve und Chatter warten schon auf uns.«
»Woher willst du das wissen?«, fragte sie, steigerte jedoch ihr Tempo. Ich konnte schneller rennen als sie und besser raufen, aber Rhiannon war die Anmutigere von uns beiden, und sie hatte etwas von einer Tänzerin. Vielleicht würde sie, wenn sie mal groß war, eine Ballerina werden, dachte ich.
»Ich weiß das, weil ich sie hören kann. Jetzt komm schon.«
Ich begann zu rennen, und sie hielt
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