Das dunkle Volk: Mondschein: Roman (German Edition)
Benimmfragen ziemlich genau. Wenn man übrigens auf meine Anfrage reagiert hätte, wäre die Einladung an mich gegangen. Nein, sie wollen explizit dich sehen. Du solltest niemandem dort vertrauen, kannst es dir aber nicht erlauben, nicht zu erscheinen. Der Abgesandten widersetzt man sich nicht.«
Ich befingerte geistesabwesend die Einladung, während mein Magen sich zusammenzog. Dekadente Vampirszene gefiel mir gar nicht, das Thema Bluthuren noch weniger. Meine Mutter war eine gewesen, und sie war deswegen umgekommen.
»Rhia hat mich vor Lannan gewarnt«, wiederholte ich.
Leo biss in seinen Toast und kaute nachdenklich. Nach einem Augenblick schluckte er und sagte: »Ich rede nicht gern über sie. Sie geben mir Arbeit, und ich will nicht in einen Loyalitätskonflikt geraten. Aber Rhia hat recht. Lannan Altos mag am liebsten Bluthuren mit dunklen, langen Haaren und gut trainiertem Körper, die, na ja, scharf aussehen. Kurz: Du bist genau der Typ Frau, auf den er abfährt.«
Scharf? Ich? Ich blinzelte. So hatte ich mich noch nie betrachtet. Aber hätte ich nun protestiert, hätte Leo denken können, dass ich noch mehr Komplimente hören wollte. »Na großartig. So was hat uns gerade noch gefehlt. Irgendein alter, geiler Knacker, der hinter mir her ist – und dann noch einer mit Reißzähnen. Aber der wird sich noch wundern. Auf so was stehe ich gar nicht.«
»Du wirst dich auch wundern. Lannan ist nämlich ziemlich attraktiv. Wenn ich auf Jungs abfahren würde, hätte ich Schwierigkeiten, ihm zu widerstehen, aber ich bin völlig hetero und stehe unter Geoffreys Schutz, also rührt er mich nicht an. Hey, hast du für die große Show heute Abend eigentlich etwas anzuziehen?«
Ich starrte ihn an. »He, Kumpel, ich bin gerade erst aus dem Süden gekommen, und habe, seit ich sechs war, mehr oder weniger auf der Straße gelebt. Denkst du wirklich, ich hätte etwas Angemessenes?« Bei allem, was gerade passierte, kam es mir nahezu pervers vor, auch nur an Shopping zu denken, aber Leo ließ nicht locker.
»Dann sollten wir jetzt sofort losgehen. Du bist diejenige, die eingeladen ist, du musst gut aussehen. Ich habe einen Smoking, den ich von den Vampiren für eben solche Gelegenheiten bekommen habe. Und Rhiannon hat, wie ich weiß, ein paar hübsche Kleider, die durchaus geeignet sind. Iss auf. Wir gehen einkaufen.«
Ich glotzte ihn an, als sei ihm gerade ein zweiter Kopf gewachsen, aß aber brav meine Eier und den Toast und folgte ihm stumm hinaus zum Auto.
»Ich hoffe, dir ist klar, dass ich nicht meine gesamte Barschaft für irgendein aufwendiges Ballkleid ausgeben werde.«
Leo schüttelte den Kopf. »Keine Panik. Ich leg’s für dich aus. Geoffrey wird das gutheißen.«
Und so kam es, dass mir die Vampirnation ein schickes neues Cocktailkleidchen finanzierte.
Nachdem Rhiannon nach Hause gekommen und ein Weilchen mit Leo allein gewesen war, kam sie in mein Zimmer. Wir hatten noch drei Stunden bis zur Party, und sie und Leo waren sich einig, dass ich mich unbedingt von meiner besten Seite zeigen musste.
»Aber was trägt man denn zu einer Vampir-Soirée?« Ich hielt das kleine Schwarze hoch, das ich mir gekauft hatte. Es war raffiniert geschnitten, kurz und für eine Cocktailparty wie für einen Tanzabend bestens geeignet. Wo wir gerade bei den Cocktails waren … der Gedanke daran, was auf der Getränkekarte stehen mochte, verursachte mir leichtes Unbehagen.
»Das ist hübsch. Ist das aus Seide?«
Ich nickte. »Leo hat mir verboten, etwas Preiswertes zu kaufen.«
»Es hat einen ziemlich tiefen Ausschnitt … hm.« Nachdenklich betrachtete sie das Kleid. »Sieh nur zu, dass du die Aufmerksamkeit nicht auf deinen Hals ziehst. Keine auffällige Kette, kein enges Collier. Solche Stellen sollte man in dieser Gesellschaft besser nicht betonen.« Sie strich sich Samtrock und Top glatt. »Wie sehe ich aus? Okay?«
» Okay? Das Grün unterstreicht deine Haarfarbe und lässt sie nahezu aufflammen. Du siehst umwerfend aus. Ganz wie aus der Alten Welt.« Ich zögerte. »Hör mal, Leo hat mich auch noch einmal vor Lannan gewarnt. Ich werde niemals Bluthure. Für niemanden. «
»Ich weiß, wie schwer es für dich sein muss.« Sie machte eine kleine Pause. »Du verabscheust sie, nicht wahr? Liegt es nur an dem, was sie deiner Mutter angetan haben?«
Ich sah zu ihr auf, während ich überlegte, wie ich es ihr erklären konnte. »Ich verabscheue sie gar nicht so sehr. Nicht wirklich. Krystal war erwachsen, und sie
Weitere Kostenlose Bücher