Das dunkle Volk: Mondschein: Roman (German Edition)
finden. Ich sah mich um, entdeckte aber nichts Ungewöhnliches. Ihre Sporttasche lag hinten auf dem Rücksitz, also war sie definitiv unterwegs gewesen, um sich mit mir zu treffen. Aus dem Becherhalter lugte eine Quittung für das Benzin hervor.
Ich trat vom Wagen weg und ließ den Blick schweifen. Zur Linken führte eine Spur weg, in den Wald. Ein Hauch Energie tippte mir auf die Schulter.
Ist sie da entlanggegangen, Ulean?
Ich denke schon. Ein schwacher Rest ihrer Aura ist noch zu spüren. Aber sie ist nirgendwo in der Nähe, so viel kann ich dir sagen.
Ich schirmte mit der Hand meine Augen vor dem silbrigen Leuchten des Himmels ab und blickte mich erneut um. Nie und nimmer würde ich allein in den Wald gehen. Viel zu gefährlich. Ich konnte spüren, wie sich um mich herum etwas kriechend bewegte – Tentakel oder die Ranken einer Schlingpflanze vielleicht. In diesem Moment fing ein Aufblitzen meinen Blick ein, und ich kniff die Augen zusammen. Da war etwas im Schnee am Ende des Weges.
Vorsichtig trabte ich hin.
Gib mir Rückendeckung.
Natürlich, aber hier ist nichts. Nicht einmal Augenpaare, die beobachten. Nur die Energiereste.
Ich bückte mich langsam, ohne den Blick von den Bäumen zu nehmen – gewöhnlich hatte Ulean recht, aber ich wollte dennoch kein Risiko eingehen –, dann griff ich in den Schnee und fischte einen Schlüsselbund heraus. Mein Mut sank, als ich das Kia-Emblem darauf erkannte. Ich kehrte zum Parkplatz zurück und probierte den Schlüssel an dem roten Wagen aus, und natürlich passte er. Einen Moment lang erwog ich, die Polizei zu rufen, doch dann verwarf ich den Gedanken. So, wie die Cops sich vorhin bei Anadey benommen hatten, hatte es keinen Sinn.
Stattdessen gab ich Anadeys Nummer ein. Sie ging sofort ran.
»Ja? Peyton?«
»Nein, leider nicht. Ich bin’s, Cicely. Hör zu, ich habe Peytons Wagen gefunden, außerdem ihren Autoschlüssel und die Handtasche. Die Energie führt direkt in den Wald und verschwindet dort. Ist sie öfter im Sunset Park?«
Anadey brachte einen erstickten Laut hervor. »Ja, manchmal läuft sie dort, obwohl sie es öfter tat, bevor der Schatten sich über die Stadt legte. Cicely, glaubst du … glaubst du, sie haben sie?«
Ich wollte es nicht bestätigen, aber die Worte purzelten aus mir heraus, bevor ich mich zurückhalten konnte. »Davon müssen wir wohl ausgehen.« Ich sah über die Schulter. Was hatte sie wohl hergelockt? »Soll ich den Wagen abschließen und dir die Tasche und den Schlüssel bringen, damit du ihn abholen kannst?«
»Würdest du das tun?« Ihre Stimme war kraftlos geworden, ihre Hoffnung geschwunden. Ihre Worte waren durchzogen mit einer Furcht, die auch mich gepackt hatte. Ich holte Peytons Tasche aus dem Wagen und schloss ihn ab, dann stieg ich wieder in mein Auto. Mit einem letzten Blick zu der Fährte setzte ich zurück und fuhr in die Stadt zu Anadeys Wohnung.
9. Kapitel
I ch blieb etwa eine Stunde bei Anadey und versuchte, sie zu beruhigen, dann packte ich eine weitere Wagenladung von Martas Ausrüstung ein. Ich hatte keine Ahnung, wie ich in das Geschäft einsteigen sollte, aber mir würde schon irgendetwas einfallen. Es war schon Mittag, als ich zum Haus der Schleier zurückfuhr und den Kofferraum entlud.
Das Haus kam mir scheußlich still vor. Rhiannon war bei der Arbeit, und Leo schlief noch. Er stand immer erst am frühen Nachmittag auf, um für Geoffrey Dinge zu erledigen und sich auf das vorzubereiten, was immer man von ihm nachts erwartete.
Ich blieb eine Weile draußen auf der Veranda stehen, blickte zum Wald und versuchte herauszufinden, ob Grieve in der Nähe war, aber mein Wolf blieb stumm. Mir fiel wieder ein, dass der Indigo-Hof auch bei Licht existieren konnte, was ein weiterer Unterschied zu ihren vampirischen Vorfahren war.
Da ich nicht wusste, was ich als Nächstes tun sollte, kehrte ich wieder ins Haus zurück. Ich hatte gerade die Tür hinter mir verriegelt, als auch schon Bart herbeigeeilt kam und um meine Beine strich. Ich bückte mich, hob das flauschige Ding von Kater hoch – er war groß und schwer – und vergrub mein Gesicht in seinem Pelz.
»Du passt auf dich auf, ja? Und kannst du den Katzen meiner Cousine erklären, dass auch sie aufpassen müssen? Da draußen sind Bestien, die so nette Wesen wie euch zum Fressen gern haben.« Als ich den inzwischen zappelnden Maine Coon wieder auf den Boden setzte, klingelte es an der Tür. Vorsichtig schob ich einen Vorhang ein Stück
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