Das dunkle Volk: Mondschein: Roman (German Edition)
ihr einen braunen Umschlag. Sie gab ihm einen langen Zungenkuss, und ich blinzelte unwillkürlich. Die beiden hatten ihre Geschwisterbeziehung offenbar auf eine ganz neue Ebene gehoben.
»Sie sind ein Paar?«, platzte es aus Leo heraus. »Aber Sie sind doch Geschwister!«
Sie sahen ihn an, dann lachte Regina. »Oh, wahrhaftig, selbst ihr Magiegeborenen seid manchmal so menschlich. Ja, wir sind ein Paar, und ja, wir sind Bruder und Schwester, außerdem sind wir beste Freunde und regieren zusammen über unseren Clan.«
Leo stieß einen Laut aus, der irgendwo zwischen Schlucken und »Oh« angesiedelt war.
»Sonst noch Fragen?«, wollte sie wissen.
Ich beschloss, es zu wagen. »Ja, tatsächlich habe ich das. Und zwar zu diesem Thema. Wenn Sie Bruder und Schwester sind, aber dennoch ein Paar, warum ist Lannan dann nicht ebenfalls Abgesandter?«
Während sie Papiere aus dem Umschlag schüttelte und sie mir reichte, zuckte sie mit den Achseln. »Die Königin macht sich nichts aus meinem Bruder.«
Ich warf Lannan einen raschen Blick zu, weil ich befürchtete, ihre Antwort habe alten Ärger hervorbrechen lassen, den er nun vielleicht an uns auslassen würde, aber er lachte nur leise.
»Wahr, nur zu wahr. Regina ist Meisterin in höfischer Aufwartung. Ich kann Kriecher und Speichellecker nicht ausstehen, und man muss diplomatisch sein, wenn man tut, was meine Schwester tut. Von Diplomatie bin ich weit entfernt.«
Geoffrey stieß ein lautes Schnauben aus. »Lannan, du bist ein Musterexemplar der Diplomatie, wenn es dir gerade in den Kram passt, und wenn dir danach ist, dich wie ein Arschloch zu benehmen, tust du eben genau das. Um für die Königin zu arbeiten«, fügte er hinzu, »muss man seine Eitelkeit zurückschrauben und sich ganz dem Willen unserer geliebten Herrin unterwerfen. Und das wirst du niemals tun, mein Freund. Du willst Hahn im Korb bleiben.«
Lannan grinste. »Willst du es mir verübeln? Ich beuge mich niemandem, obwohl ich der Königin gehorche, wenn ich es muss. In allen anderen Fällen bin ich nur mir selbst verpflichtet. Mir und«, er wandte sich zu Regina um, »meiner Geliebten.« Er streckte den Arm aus und berührte ihre Fingerspitzen mit seinen, und das Knistern eines Funkens durchdrang die Stille.
In diesem Moment blickten beide gleichzeitig zu mir, und ich fühlte mich wie Frischfleisch in der Auslage. Hastig senkte ich meinen Blick auf den Vertrag. Er war klar und verständlich formuliert, obwohl ich sofort ein Hintertürchen entdeckte: Sollte ich ihnen nicht täglich Bericht erstatten, war der Karmesin-Hof berechtigt, »Rechtsmittel zu vollstrecken«. Außerdem sah ich sofort, dass sie mir monatlich zweitausendfünfhundert Dollar zahlen wollten, wenn ich ihnen erzählte, was immer ich herausfinden würde. Kein schlechter Lohn für einen Job, bei dem ich nicht von neun bis fünf hinter einer Theke stehen und »Fritten oder Brötchen dazu?« fragen musste.
»Ich bin nicht ganz sicher, was das hier bedeutet, aber es könnte vielfältig interpretiert werden.« Ich deutete auf die Klausel. »Was genau ist mit ›Rechtsmitteln‹ gemeint?« Eigentlich konnte ich mir nach der Lektüre der Geschichte der Vampirnation denken, worum es ging. »Der Satz hier muss umformuliert werden.«
Regina warf einen Blick darauf, dann sah sie Geoffrey an. »Nichts muss umformuliert werden, aber vielleicht können wir es verbessern. Wir brauchen jedenfalls eine Garantie, dass sie ihren Pflichten nachkommt.«
Lannan stützte seine Ellbogen auf die Rücklehne des Sessels, auf dem Regina saß. »Schreib doch, dass sie für jeden Tag, den sie uns nicht Bericht erstattet – was auch per E-Mail sein kann, wenn sie mag –, eine Stunde mit mir verbringen muss, und in dieser Zeit habe ich allein das Recht, sie zu bestrafen.«
Ein eiskalter Schauder rann mir über den Rücken. »Und wie sollte das dann aussehen?«
Er sah mich unverwandt an. »Wonach mir gerade der Sinn steht.«
»Kein Blut«, sagte Rhiannon. »Sie werden ihr kein Blut nehmen. Und sie nicht verstümmeln.«
Regina maß Lannan mit einem langen Blick, dann huschte ein kleines Lächeln über ihr Gesicht. »Lannan würde niemals eine so entzückende junge Frau verstümmeln.«
»Moment.« Ich rang nach Luft. Die Welt schien sich um mich zusammenzuziehen. Die einzige Chance, die ich hatte, wenn ich ihrem Abkommen nicht zustimmen wollte, war die Flucht aus der Stadt, aber auch dann würden sie mich irgendwann kriegen. Regina griff nach den Papieren,
Weitere Kostenlose Bücher