Das dunkle Volk: Mondschein: Roman (German Edition)
darüber sein, aber ich durfte das nicht einfach für mich behalten. Ich zog mir den Bademantel über, schlich in den Flur und klopfte sanft an Rhiannons Tür.
Sie machte mir auf; offenbar hatte sie auch noch nicht geschlafen.
»Leo ist zur Arbeit gegangen. Komm rein.« Sie schloss die Tür hinter mir und schob mich zu ihrem Bett, und gemeinsam kuschelten wir uns unter die Decke, wie wir es als Kinder getan hatten. Sie berührte sanft meine Wange, und ich erkannte, dass sie es schon wusste.
»Also dann doch wieder Grieve.« Ihre Worte klangen zurückhaltend, doch in ihren Augen las ich Verständnis.
»Das weißt du?«
»Ja. Ich habe euch reden gehört, wenn auch sehr leise. Aber man kann es dir ohnehin ansehen. Du liebst ihn, nicht wahr? Sehr?«
»Ja. Grieve. Er ist zu mir gekommen. Bitte, versuch es zu verstehen. Ich brauchte ihn. Und Grieve hat auf seinem Oberschenkel mein Bild eintätowiert. So wie ich meinen Wolf habe. Er hat sich das Bild stechen lassen, bevor er mich überhaupt kennengelernt hat.«
»Ich … ich glaube, nichts kann euch voneinander fernhalten. Was euch verbindet, ist stärker als der Indigo-Hof oder die Vampire.« Sie lächelte. »War es gut?«
Ich musste lachen. »O ja. Grieve ist … er ist, was ich brauche. Er ist derjenige, der für mich bestimmt ist. Ich weiß, dass du misstrauisch sein musst, aber Grieve ist nicht wie die anderen. Er kämpft gegen seine Vampirseite an. Er ist kein echter Vertreter des Indigo-Hofs. Und er versucht uns zu helfen. Er hat mir gesagt, wo wir Heather und Peyton finden können.«
»Sie leben? Wo sind sie? Können wir sofort los?«
Ich wiederholte, was ich von Grieve gehört hatte. »Ich denke, wir können ihm trauen«, schloss ich.
Dennoch war Rhiannon ernüchtert. »Aber es klingt, als bräuchten wir mehr Hilfe. Nachts sollten wir jedenfalls nicht mehr durch den Wald gehen. Das ist zu gefährlich.«
»Wir haben doch Martas Wundertüten noch gar nicht durchgesehen. Lass uns morgen früh als Erstes nachschauen, was wir für Schutzmöglichkeiten haben. Und hast du nicht gesagt, dass Kaylin morgen kommt? Meinst du, er hilft uns?«
»Vielleicht«, sagte Rhia, und ein Lächeln flackerte im Licht der Kerze auf ihrem Nachttisch. Die Kerze mit Rosmarin und Lavendel beschützte uns nicht nur, sondern beruhigte auch unsere gereizten Nerven. Ich atmete tief ein und ließ den Duft auf meine Gedanken wirken.
Nach einem Moment sagte ich: »Wann wollt Leo und du heiraten?«
»Wissen wir noch nicht«, antwortete sie leise. »Ich bewundere ihn. Er ist gut zu mir, und wir verstehen uns prächtig, und, ja, ich denke, ich will ihn heiraten. Aber ich weiß nicht, ob wir haben, was Grieve und du habt. Tja, vielleicht ist jede Liebesgeschichte anders.«
»Ehrlich gesagt hätte ich nie gedacht, dass wir uns wiederfinden. Und jetzt ist es härter, als ich mir je hätte vorstellen können.« Ich lehnte mich ans Kopfende zurück und zog die Decke höher über uns. »Wie kommst du auf den Gedanken, dass ihr nicht dieselbe Leidenschaft teilt, wie Grieve und ich sie haben?«
»Ich fürchte mich zu sehr, die Kontrolle zu verlieren … wegen des Feuers. Ich habe Angst, jemandem zu schaden, Leo zu verletzen. Deswegen halte ich immer etwas von mir zurück.«
Ich schlang einen Arm um ihre Schultern und drückte sie fest. »Du musst lernen, die Flammen zu beherrschen, Rhia. Lass nicht zu, dass deine Angst dich kontrolliert. Irgendwann wird sich das rächen, und was geschieht dann mit dir? Mit uns anderen?«
Und weil wir beide zu Tode erschöpft waren und nicht mehr über Vampire oder Blut oder irgendetwas, was sich außerhalb des Zimmers befand, reden wollten, bliesen wir die Kerze aus und schmiegten uns wieder unter die Decke. Und wie damals, als wir noch kleine Kinder waren, sanken wir Hand in Hand in Schlaf.
14. Kapitel
N och vor Tagesanbruch standen wir auf. Leo schlief noch, aber Rhiannon weckte ihn, da er eher bestimmte Talismane als solche erkennen würde als ich. Durch die vielen Jahre auf der Straße, in denen ich hauptsächlich mit der Energie des Windes gearbeitet hatte, hatte ich nun einiges aufzuholen. Ich arbeitete nicht so wie andere Hexen, und die meisten meiner Zaubersprüche waren Beschwörungen und nichts, was echte Zutaten erforderte.
Wir durchwühlten die Kisten und Tüten auf der Suche nach allem, was uns helfen konnte. Ich hielt eine orangene Kugel hoch, die ungefähr Walnussgröße hatte. »Das Ding versucht förmlich, mir aus der Hand zu springen.
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