Das dunkle Volk: Mondschein: Roman (German Edition)
verwandelt sich meine Gestalt in Schatten. In den Stoff, aus dem die Träume sind. Darin bewege ich mich in Schattengestalt, und die Person, die ich mitnehme, tut das auch. Und in dieser Gestalt kann ich zwar andere beobachten, aber nichts tun. Ich kann zum Beispiel nicht kämpfen.«
Ich dachte einen Augenblick darüber nach. »Gibt es ein Zeitlimit?«
Er nickte. »Etwas in der Art. Wenn ich zu lange astral bleibe, riskiere ich, nicht zurückkommen zu können. Dann wäre ich in der Schattengestalt gefangen.«
»Und wie lange ist zu lange?«
»Ich weiß nicht«, gab er zu. »Ich war bisher nie länger als eine Stunde unterwegs. Ich nehme an, es hängt davon ab, wie mächtig der Traumwandler ist, ob noch jemand anders dabei ist … von unterschiedlichen Faktoren. Und es gibt noch eine Kleinigkeit zu bedenken: Auch dort gibt es verschiedene Wesen, und nicht alle sind nett.«
Oh, das wurde ja immer besser – da hatte Ulean mir wirklich etwas eingebrockt. »Also würden wir in den Schatten eintreten und vielleicht nicht zurückkommen oder uns mit gemeinen Bestien herumschlagen müssen. Können wir uns wenigstens irgendwie gegen sie wehren? Du hast gesagt, in astraler Gestalt kann man nicht kämpfen.«
»Nein, kann man nicht, jedenfalls nicht auf körperlicher Ebene. Uns gegen etwas zu verteidigen, das in der Traumzeit auftaucht, ist jedoch möglich. Zumindest wenn wir stärker sind als das Wesen. Die Chancen dafür stehen nicht besonders gut.« Er bedachte mich mit einem Quasigrinsen. »Na, willst du immer noch mit?«
»Vielleicht.« Nein, ich wollte ganz und gar nicht. Aber Ulean hielt es für eine gute Idee, und sie hatte mich noch nie in die falsche Richtung gelenkt. »Du hast eben etwas von einem negierten Zauber gesagt. Was geschieht in einem solchen Fall?«
»Dann sollten wir rennen wie der Teufel. Falls wir noch können. Wenn der Zauber unterbrochen wird – ob versehentlich oder absichtlich –, werden wir feststofflich, was immer wir gerade machen. Mit anderen Worten: Wenn wir zum Beispiel unter der Decke über einem Grüppchen ausgehungerter Schattenjäger schweben und jemand negiert den Spruch, dann materialisieren wir uns und plumpsen direkt auf sie. Das wird nicht einfach. Traumwandeln ist gefährlich.« Er ließ sich behutsam an einem Windbruch herab und stützte die Ellbogen auf die Knie.
Ich blickte zu den Zwillingseichen hinüber. Wenn wir in unserer körperlichen Gestalt hindurchgingen und auf der anderen Seite Vampirfeen begegneten, waren wir verloren. Wir würden ihnen niemals entkommen können. Und nichts, was Grieve – oder irgendjemand anders – tun konnte, würde uns den Hintern retten.
»Okay. Ich bin dabei. Lass es uns tun!« Ich holte tief Luft. »Rhiannon und Leo, ihr zwei versteckt euch, und zwar gut. Was immer passiert, kommt uns nicht nach. Falls wir nicht zurückkommen –«
»Sag so was nicht!« Rhiannon biss sich, den Tränen nah, auf die Lippe.
»Falls wir nicht zurückkommen«, wiederholte ich mit Nachdruck, »dann verschwindet von hier, erzählt den Vampiren, was geschehen ist, und blickt nicht zurück. Verlasst vor Einbruch der Nacht die Stadt.«
Leo legte seinen Arm um Rhiannons Schultern. »Bitte denk noch einmal darüber nach. Wir können es uns nicht leisten, einen von euch zu verlieren.«
»Mit etwas Glück und viel gesundem Menschenverstand geschieht das auch nicht«, sagte Kaylin. »Aber Cicely hat recht. Das ist unsere beste Möglichkeit herauszufinden, was vor sich geht. Wir bleiben nicht lange – nur um das Terrain zu sondieren, so dass wir wissen, womit wir es zu tun haben. Wir gehen keine unnötigen Risiken ein, nicht wahr?« Er sah mich eindringlich an.
Ich zuckte mit den Achseln. »Hatte ich nicht vor, nein. Ich bin nicht verrückt. Aber Ulean meint, ich soll mit dir gehen, und sie liegt gewöhnlich richtig. Ich weiß, dass ich ihr vertrauen kann. Sie hat mich schon oft genug gerettet.«
»Okay, dann los«, sagte Kaylin. »Mach dich bereit. Der Weg in die Schatten ist kalt und dunkel, und in deiner Welt gibt es nichts Vergleichbares.«
16. Kapitel
D u musst schon in meine Arme kommen«, sagte Kaylin. Ich sah ihn mit einem schwachen Grinsen auf den Lippen an, aber er schüttelte den Kopf, dass sein dunkles Haar flog. »Nein, damit hat das nichts zu tun. Ich muss dich festhalten, damit du mit mir nach drüben gelangen kannst.«
»Das hatte ich mir irgendwie schon gedacht.« Es war wohl besser, ihn nicht noch mehr in Verlegenheit zu bringen,
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