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Das Dunkle

Das Dunkle

Titel: Das Dunkle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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Oklahoma ein einziger ausgedehnter Landraub gewesen sei. Als die Gegend noch ein nutzloser Staubkessel war, wurde die eingeborene Bevölkerung überall aus dem Land hierher in Reservate verfrachtet. Als das Land dann für die Weißen interessant wurde, lösten sich sämtliche Abkommen in Rauch auf, und die letzten Gebiete der Native Americans wurden zum achtundvierzigsten Staat. Die Entdeckung des Öls hatte die Lage für die Stämme nur verschlechtert.
    Vielleicht lag die Wahrheit in der Mitte zwischen beiden Geschichten. Jessica fragte sich, ob die Antiverfinsterungsliga für Frauen jemals Native Americans zu ihren Ice-Cream Socials eingeladen hatte. Die Lehre besagte, dass frühere Völker hier seit Jahrtausenden gegen die Darklinge gekämpft hatten. Vielleicht waren sie aber auch aus der geheimen Gesellschaft ausgeschlossen worden, nachdem weiße Siedler die Stadt übernommen hatten. Rex behauptete, dass es sich ziemlich sicher so abgespielt haben musste. Hatte die Lehre aufgehört und Bixby all seine Midnighter verloren, bloß weil Abkommen gebrochen und alte Rechnungen beglichen worden waren?
    „Hört sich furchtbar an“, sagte Jessica. „Aber auch ziemlich interessant. Danke.“

    Constanza griff nach Jessicas Schulbuch. „Aber warte mal, du machst doch Weltgeschichte. Für wen schreibst du das hier denn überhaupt?“
    Jessica warf einen Blick auf das Buch. Den Umschlag bedeckte eine Weltkarte, die Flagge von Oklahoma war nirgendwo zu sehen. „Äh, einen Bericht schreibe ich eigentlich gar nicht. Ich bin bloß neugierig geworden, weil ich diesen Typen kennengelernt … na ja, kennengelernt kann man eigentlich gar nicht sagen. Vermutlich erinnert er sich gar nicht an mich. Ich glaube aber, dass er mit dir verwandt ist …“
    „Wer?“
    „Äh, hast du einen Cousin, der … Ernesto heißt?“
    Constanza lachte. „Ernesto! Was? Hat der dich angemacht?“
    „Nein!“ Jessica spürte, wie sie rot wurde, und dachte, ein Stalker, ja … angemacht, nein.
    „Ach, reg dich nicht auf.“ Constanza kicherte. „Der macht jede an, aber im Grunde ist er süß. Übrigens, falls du ihn richtig kennenlernen willst: Er holt mich heute von der Schule ab.“
    Jessica schluckte. „Wirklich?“
    „Genau. Wir machen uns alle auf nach Broken Arrow, um ein paar Tage bei Großvater zu verbringen. Der alte Herr ist wegen du-weißt-schon-was von gestern Nacht sogar noch mehr ausgeflippt als meine Eltern. Weckt schlechte Erinnerungen.“
    „Logo, schlechte Erinnerungen. Ernesto kommt hierher ?“
    „Doch, manchmal schleicht er sich nach Bixby, um mich zu besuchen. Er hat sogar in ein Haus investiert, draußen in …“
    Constanza wurde nachdenklich. „In Las Colonias! Ist das nicht unheimlich?“
    „Allerdings.“ Jessica lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück, ein Kribbeln überkam sie. Ihr Stalker kam hierher, an die Schule.

    „Also, soll er dich nach Hause fahren? Er wird dir gefallen.
    Und er ist wirklich richtig nett.“
    „Äh, nein. Jonathan fährt mich heute nach Hause.“ Jessica hoffte, dass er mit dem Wagen seines Vaters gekommen war.
    „Wo bist du Ernesto eigentlich begegnet? Und woher all das Interesse?“
    Jessica zuckte mit den Schultern. „Das muss in Broken Arrow gewesen sein oder in Tulsa. Er hat gerade … irgendwas fotografiert, und ich habe bloß seinen Nachnamen aufgeschnappt. Also dachte ich, ich frag dich mal.“
    „Nach meiner kompletten Familiengeschichte?“ Constanza schüttelte lachend den Kopf. „Du steckst aber wirklich voller Überraschungen, Jessica Day.“ Sie zwinkerte. „Ich werde ihm sagen, dass er eine heimliche Verehrerin hat.“
    „Großartig.“ Jessica brachte mühsam ein Lächeln zustande.

12.11 Uhr mittags
22
    Die Kantine produzierte ein unablässiges Gewimmer in ihrem Kopf, wie das Geräusch einer Kreissäge, die durch eine Schachtel voller Ratten fährt. Melissa konnte den durchdringenden Ton sich drehenden Metalls hören, das Reißen der widerstandslosen Pappe und kreischende kleine Säuger, die versuchten übereinanderzuklettern. Seltsam – es gab heute Schokoladenpudding zum Nachtisch, der die Verzweiflung normalerweise so lange unter der Decke hielt, bis der Zuckerschock eintrat. Wahrscheinlich lag es an der grauen, schmierigen Hühnerleber, die jedermann mit panischen Gedanken erfüllte.
    Acht Monate noch diesen Müll essen! , hörte sie von allen Seiten.
    Melissa drehte die Lautstärke an ihren Kopfhörern auf, die schrillen Gitarrenklänge machten die Sache aber

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