Das Echo aller Furcht
der Vereinigten Staaten sollten verschrottet werden, und dieses Programm lief auch nach Plan. Wie bei dem Abkommen über die Mittelstreckenraketen wurden die Flugkörper in ihre Hauptkomponenten zerlegt und dann vor Zeugen entweder zusammengepreßt oder anders unbrauchbar gemacht. Das Medieninteresse an solchen Aktionen hatte inzwischen nachgelassen. Aus den Raketensilos, die ebenfalls der Inspektion unterlagen, wurde die Elektronik entfernt, und in Amerika waren sogar vier von fünfzehn für überflüssig erklärte Einrichtungen an Farmer verkauft worden, die sie nun als Getreidesilos nutzten. Eine japanische Firma mit Grundbesitz in North Dakota hatte einen Befehlsbunker erworben und in einen Weinkeller für ihr Jagdhaus umgewandelt, in das die Geschäftsleitung jeweils im Herbst einfiel.
Nach Berichten amerikanischer Inspektoren in der Sowjetunion gaben sich die Russen alle Mühe, lagen aber wegen einer Fehlplanung der Verschrottungsanlage um dreißig Prozent zurück. Hundert Raketen auf Anhängern stauten sich vor der Fabrik; ihre Silos waren bereits gesprengt worden. Zwar hatten die Sowjets die Lenksysteme aus den Nasen der Flugkörper entfernt und verbrannt, aber beim Nachrichtendienst hielt sich hartnäckig der Verdacht auf ein Täuschungsmanöver – die Geschosse könnten nach wie vor auf ihren Hängern in Startstellung gebracht und abgefeuert werden, argumentierte man. Mißtrauen den Sowjets gegenüber war in der amerikanischen Geheimdienstgemeinde eine alte Angewohnheit, die man nur schwer ablegte. Fowler vermutete, daß es den Sowjets ähnlich ging.
»Das Abkommen ist ein gewaltiger Schritt vorwärts, Robert«, sagte Narmonow, nachdem er einen Schluck Wein getrunken hatte. Endlich sind wir allein und können uns entspannen, dachte der Russe und grinste verstohlen. »Ich gratuliere Ihnen und Ihrem Volk.«
»Ihre Unterstützung hat entscheidend zu diesem Erfolg beigetragen, Andrej«, versetzte Fowler liebenswürdig. Das war natürlich eine Lüge, aber eine der Art, die sich ein Politiker leisten kann, und das verstanden beide. Daß es in Wirklichkeit die Wahrheit war, wußten weder Fowler noch Narmonow.
»Ein Krisenherd weniger. Wie blind wir doch waren!«
»Gewiß, mein Freund, aber das liegt jetzt hinter uns. Wie kommen Sie in Deutschland zurecht?«
»Das Militär ist, wie Sie sich vorstellen können, alles andere als glücklich und...«
»Meins auch nicht«, unterbrach Fowler sanft. »Soldaten sind wie Hunde. Nützlich natürlich, aber von Zeit zu Zeit muß man ihnen zeigen, wer der Herr ist.«
Narmonow nickte nachdenklich, als der Dolmetscher geendet hatte. Erstaunlich, wie arrogant Fowler war. Genau so, wie das KGB ihm gesagt hatte, stellte der sowjetische Präsident fest. Und gönnerhaft dazu. Nun, die Amerikaner genießen eben den Vorteil eines stabilen politischen Systems, sagte sich Andrej Il’itsch. Während Fowler seiner Position sicher sein konnte, hatte Narmonow Tag für Tag mit einem System zu kämpfen, das noch längst nicht in Stein gefaßt war. Welcher Luxus, dachte der Russe deprimiert, wenn man in Soldaten nur Hunde sehen kann, die vor einem kuschen. Wußte der Mann denn nicht, daß Hunde auch beißen konnten? Ein sonderbares Volk, diese Amerikaner. Während der Herrschaft der KPdSU hatte den USA der politische Einfluß der Roten Armee Sorgen gemacht – aber der war ihr schon von Stalin genommen worden, als er Tuchatschewski hinrichten ließ. Nun aber tat man solche Geschichten ab – in einer Zeit, in der das Fehlen der cisernen Hand des Marxismus-Leninismus den Soldaten Gedanken erlaubte, die sie noch vor wenigen Jahren vors Hinrichtungskommando gebracht hätten. Narmonow beschloß, dem Amerikaner seine Illusionen zu lassen.
»Sagen Sie, Robert, wo kam die Idee zu diesem Abkommen eigentlich her?« fragte Narmonow. Er kannte die Antwort und wollte nur wissen, wie gut Fowler lügen konnte.
»Wie bei allen Ideen dieser Art aus vielen Ecken«, erwiderte der Präsident leichthin. »Die treibende Kraft war der arme Charles Alden. Er aktivierte seinen Plan sofort nach diesem schrecklichen Zwischenfall in Israel und hatte, wie wir nun sehen, Erfolg.«
Wieder nickte der Russe und zog seine eigenen Schlußfolgerungen. Fowler log geschickt, wich dem Kern der Frage aus und gab eine zutreffende, aber vage Antwort. Chruschtschow hatte recht gehabt: Politiker sind überall auf der Welt so ziemlich gleich. Was Fowler betraf, mußte er sich merken, daß dieser Mann seine Lorbeeren nicht
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