Das Echo aller Furcht
Elizabeth Elliot. Seine Informationen über sie waren eindeutig. Als Professorin hatte sie »im Namen der Fairneß und Ausgewogenheit« Vertreter der PLO eingeladen und sie ihren Standpunkt darlegen lassen. Es hätte aber noch schlimmer kommen können. Sie war wenigstens keine Vanessa Redgrave, die mit der Kalaschnikow fuchtelnd Tänze vollführte, trieb aber die »Objektivität« so weit, daß sie höflich den Ausführungen von Vertretern eines Volkes lauschte, das in Ma’alot israelische Kinder und in München israelische Sportler angegriffen hatte. Wie die meisten Mitglieder der amerikanischen Regierung hatte sie die Bedeutung des Wortes Prinzipien vergessen. Ryan aber gehörte nicht zu dieser Mehrheit. . .
Das Abkommen war Ryans Geisteskind, das stand für Ben Jakob fest. Auf den Gedanken, das Problem über die Religion zu lösen, wären Fowler und Elliot nie gekommen.
Das Abkommen. Er konzentrierte sich wieder auf den Vertragstext und seine Notizen. Wie hatte sich seine Regierung nur in diese Ecke manövrieren lassen?
We shall overcome ...
So einfach war das? Panische Anrufe und Telegramme von Israels amerikanischen Freunden, die abzuspringen begannen, als ob ...
Wie hätte es auch anders kommen können? fragte sich Avi. Das Abkommen war unter Dach und Fach – höchstwahrscheinlich, räumte er ein. Die Ausbrüche in der israelischen Bevölkerung hatten begonnen; in den nächsten Tagen mußte mit Aufruhr gerechnet werden. Der Grund lag auf der Hand:
Israel räumte Westjordanien. Es würde zwar Truppen zurücklassen, ähnlich wie Amerika noch Einheiten in Deutschland und Japan stationiert hat, aber auf der Westbank sollte ein demilitarisierter Palästinenserstaat entstehen, dessen Grenzen die UNO garantierte. Tja, so steht es wahrscheinlich auf einem schön gerahmten Stück Pergament, überlegte Ben Jakob. Die echte Garantie würde von Israel und Amerika kommen. Saudi-Arabien und seine Bruderstaaten am Golf sollten die wirtschaftliche Rehabilitation der Palästinenser finanzieren. Auch der ungehinderte Zugang nach Jerusalem war garantiert – dort würden die stärksten israelischen Verbände stehen, in großen, leicht zu sichernden Lagern, die das Recht hatten, ungehindert Streife zu gehen. Jerusalem selbst würde zu einem Dominion des Vatikans werden. Der Zivilverwaltung stand ein gewählter Oberbürgermeister vor – Avi fragte sich, ob der jetzige Amtsinhaber, ein sehr unparteiischer Israeli, seinen Posten behalten würde –, aber für religiöse und auswärtige Angelegenheiten war unter der Autorität des Vatikans eine Troika von Geistlichen zuständig. Die Sicherheitskräfte für Jerusalem stellte die Schweiz mit einem motorisierten Regiment. Avi kommentierte diese Vorstellung mit einem verächtlichen Schnauben, aber die Schweizer Armee hatte der israelischen als Vorbild gedient, und die eidgenössische Einheit sollte auch zusammen mit den Amerikanern üben. Dem Vernehmen nach setzte sich die 10. Kavallerie aus erstklassigen regulären Truppen zusammen. Auf dem Papier machte sich das alles großartig.
Papier ist geduldig.
Auf Israels Straßen jedoch hatten bereits fanatische Demonstrationen begonnen. Tausende von Bürgern sollten vertrieben werden. Zwei Polizisten und ein Soldat waren schon verletzt worden – von Israelis. Die Araber hielten sich aus der Sache heraus. Eine separate, von den Saudis geleitete Kommission sollte feststellen, welches Stück Land welcher arabischen Familie gehörte – hier hatten die Israelis mit ihrer wahllosen Landnahme eine heillose Verwirrung gestiftet, aber das war glücklicherweise nicht Avis Problem. Er hieß mit Vornamen Abraham, nicht Salomon. Ob das alles klappt? fragte er sich.
Das kann unmöglich funktionieren, dachte Kati. Er hatte auf die Nachricht von der Unterzeichnung des Abkommens mit einem zehn Stunden dauernden Anfall von Übelkeit reagiert und fühlte sich nun, da er den Vertragstext vor sich hatte, an der Schwelle des Todes.
Frieden? Und Israel existiert trotzdem weiter? Wofür hatte er dann alle die Opfer gebracht, wofür waren Hunderte, Tausende von Freiheitskämpfern den Märtyrertod gestorben? Wofür hatte Kati sein Leben hingegeben? Jetzt kannst du genausogut sterben, sagte er sich. Er hatte auf alles verzichtet. Er hätte ein normales Leben mit Frau, Kindern, Haus und einem angenehmen Beruf – Arzt, Ingenieur, Bankangestellter, Kaufmann – führen können. Er war intelligent genug, um alles, was er sich vornahm, auch
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