Das Echo aller Furcht
daß sie aus diesem Grund niemals eine wichtige Rolle in der deutschen Politik spielen konnten. Mehr noch, die Bewegung wurde nun von der Regierung, der sie einst ein Dorn im Auge gewesen war, ausgenutzt. Hatten sie früher lauthals gegen die Verschmutzung der Flüsse durch die Industrie und die Stationierung von Kernwaffen durch die Nato protestiert, führten sie nun einen ökologischen Kreuzzug im Osten. Ihr unablässiges Geheul über die Schweinerei in der alten DDR stellte sicher, daß mit der Rückkehr des Sozialismus nach Deutschland so bald nicht zu rechnen war. Bock und Fromm fragten sich sogar, ob die Grünen nicht vielleicht von Anfang an nur ein raffinierter Trick der Kapitalisten gewesen waren.
Die beiden hatten sich vor fünf Jahren kennengelernt. Damals wollte die RAF einen westdeutschen Reaktor sabotieren und hatte im Osten um technischen Rat gebeten. Dieser Plan, der erst in letzter Minute vereitelt werden konnte, kam nie an die Öffentlichkeit. Der BND hielt seinen Erfolg geheim, um nicht die gesamte westdeutsche Atomindustrie zu gefährden.
»Vor einem knappen Jahr ging die Anlage endgültig vom Netz. Ich arbeite nur noch drei Tage in der Woche; meinen Posten hat ein Besserwessi, den ich ›beraten‹ darf«, berichtete Fromm.
»Es muß doch sonst noch was für dich zu tun geben, Manfred«, meinte Bock. Fromm war nämlich auch der Chefingenieur von Honeckers militärischem Lieblingsprojekt gewesen. Russen und Deutsche, wenngleich Verbündete im Warschauer Pakt, hatten nie richtige Freunde sein können. Die Feindschaft zwischen den Nationen reichte tausend Jahre zurück, und wo die Deutschen im Sozialismus einigermaßen erfolgreich gewesen waren, hatten die Russen völlig versagt. Das Ergebnis war, daß die Streitkräfte der DDR nie dem Vergleich mit der viel größeren Bundeswehr standhalten konnten. Bis zuletzt hatten die Russen die Deutschen gefürchtet, selbst jene, die auf ihrer Seite standen, und dann aus unerklärlichen Gründen die Wiedervereinigung zugelassen. Erich Honecker war zu dem Schluß gekommen, daß solcher Argwohn strategische Auswirkungen haben könnte, und hatte einen Teil des in Greifswald und anderswo produzierten Plutoniums abzweigen lassen. Manfred Fromm verstand von Atomwaffen ebensoviel wie jeder russische oder amerikanische Experte, hatte aber seine Fachkenntnisse nie anwenden können. Die über zehn Jahre hinweg aufgebauten Plutoniumbestände waren als letzte Geste marxistischer Solidarität den Russen übergeben worden, um zu verhindern, daß sie der Bundesregierung in die Hände fielen. Dieser letzte ehrenhafte Akt hatte zu bitteren gegenseitigen Beschuldigungen geführt und das Verhältnis so verschlechtert, daß eine letzte Ladung Plutonium in dem Versteck blieb. Alle Beziehungen, die Fromm und seine Kollegen zu den Sowjets gehabt hatten, existierten nun nicht mehr.
»Ich habe ein gutes Angebot.« Fromm nahm einen großen braunen Umschlag von seinem unaufgeräumten Schreibtisch. »Ich soll nach Argentinien gehen. Leute aus dem Westen arbeiten dort schon seit Jahren mit früheren Kollegen von mir zusammen.«
»Was wird dir geboten?«
»Eine Million Mark pro Jahr bis zur Fertigstellung des Projekts, steuerfrei und auf einem Nummernkonto, eben die üblichen Lockmittel«, sagte Fromm emotionslos und verschwieg, daß dieses Angebot für ihn nicht in Frage kam. Für Faschisten arbeiten? Ausgeschlossen. Eher atmete er Wasser. Fromms Großvater war Gründungsmitglied des Spartakusbundes gewesen und kurz nach Hitlers Machtergreifung in einem der ersten Konzentrationslager ums Leben gekommen. Sein Vater, Mitglied der kommunistischen Widerstandsbewegung und eines Spionagerings, hatte wie durch ein Wunder den Krieg und die Verfolgung durch Gestapo und Sicherheitsdienst überlebt und war als geachtetes Parteimitglied gestorben. Fromm selbst hatte den Marxismus-Leninismus schon von frühester Kindheit an eingeimpft bekommen, und die Tatsache, daß er seine Stellung verloren hatte, machte ihn der neuen Gesellschaftsordnung, die zu hassen er erzogen worden war, nicht gewogener. Sein wichtigstes Berufsziel hatte er nicht erreicht und mußte sich von einem Jüngelchen aus Göttingen wie ein Laufbursche behandeln lassen. Das Schlimmste aber war: Seine Frau wollte, daß er die Stelle in Argentinien annahm, und sie machte ihm das Leben zur Hölle, weil er sich weigerte, das Angebot auch nur zu erwägen. Es lag auf der Hand zu fragen: »Was führt dich hierher, Günther? Im ganzen
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