Das Echo aller Furcht
Land wird nach dir gefahndet, und du bist hier trotz deiner geschickten Verkleidung in Gefahr.«
Bock lächelte selbstsicher. »Erstaunlich, was Perücke und Brille ausmachen.«
»Damit ist meine Frage nicht beantwortet.«
»Bei Freunden von mir werden deine Fachkenntnisse gebraucht.«
»Und was wären das für Freunde?« fragte Fromm mißtrauisch.
»Leute, die für uns beide politisch akzeptabel sind. Ich habe Petra nicht vergessen«, erwiderte Bock.
»Tja, unser Plan damals war gut. Was ging schief?«
»Wir hatten eine Verräterin in unseren Reihen. Ihretwegen wurden drei Tage vor der Aktion die Sicherheitsmaßnahmen am AKW verschärft.«
»Eine Grüne?«
Günther lächelte bitter. »Ja, sie kriegte kalte Füße, als sie an die Zivilopfer und den Umweltschaden dachte. Na, inzwischen ist sie ein Teil der Umwelt.« Petra hatte abgedrückt. Nichts war schlimmer als Verrat, und es war nur angemessen gewesen, daß Petra die Exekution übernahm.
»Teil der Umwelt, sagtest du? Wie poetisch.« Fromms bisher erster Scherz mißlang. Er war ein ausgesprochen humorloser Mensch.
»Geld kann ich dir keins bieten, und weitere Informationen auch nicht. Du mußt dich auf der Basis dessen, was ich gerade gesagt habe, entscheiden.« Bock trug zwar keine Pistole, aber ein Messer, und er fragte sich, ob Fromm die Alternative klar war. Vermutlich nicht, dachte er. Manfred denkt zwar ideologisch pur, ist aber doch ein engstirniger Technokrat.
»Wann fahren wir los?«
»Wirst du überwacht?«
»Nein. Ich mußte wegen des argentinischen Angebots in die Schweiz«, sagte Fromm, »denn so etwas kann man in diesem Land nicht besprechen, selbst wenn es vereinigt und glücklich ist. Ich habe die Reisevorbereitungen selbst getroffen und bezweifle, daß ich überwacht werde.«
»Gut, dann fahren wir sofort. Du brauchst nichts mitzunehmen.«
»Was sage ich meiner Frau?« fragte Fromm und wunderte sich dann, daß er sich darüber überhaupt Gedanken machte. Glücklich war seine Ehe nämlich nicht gerade.
»Das ist deine Angelegenheit.«
»Laß mich wenigstens ein paar Sachen einpacken. Wie lange...?«
»Kann ich nicht sagen.«
Es dauerte eine halbe Stunde. Fromm erklärte seiner Frau, er müsse für ein paar Tage geschäftlich verreisen. Sie küßte ihn dankbar und freute sich schon auf Argentinien. Vielleicht ein Land, in dem es sich gut leben ließ. Vielleicht hatte sein alter Freund ihn zur Vernunft gebracht. Immerhin fuhr er Mercedes und wußte, was die Zukunft bot.
Drei Stunden später bestiegen Bock und Fromm eine Maschine nach Rom. Nach einem einstündigen Aufenthalt flogen sie über Istanbul nach Damaskus, wo sie in einem Hotel abstiegen, um sich die verdiente Ruhe zu gönnen.
Wenn das überhaupt möglich ist, dachte Ghosn, sieht Marvin Russell jetzt noch imposanter aus. Das wenige überschüssige Fett hatte er sich inzwischen abgeschwitzt, das tägliche Training mit den Soldaten der Bewegung hatte ihn noch muskulöser werden lassen – und so braun, daß man ihn fast mit einem Araber verwechseln konnte. Nur seine Religion störte. Seine Kameraden meldeten, er sei ein echter Heide, ein Ungläubiger, der ausgerechnet die Sonne anbetete. Das versetzte die Moslems in Unruhe. Doch Leute bemühten sich diskret, ihn zum wahren Glauben, dem Islam, zu bekehren, und es hieß, daß er ihnen respektvoll zuhörte. Außerdem ging die Rede, daß er mit jeder Waffe und über jede Entfernung absolut sicher traf und der tödlichste Nahkämpfer war, dem man je begegnet war – er hatte einen Ausbilder fast zum Krüppel geschlagen -, und daß er sich im Gelände so leise und listig bewegte wie ein Fuchs. Der geborene Krieger, war die allgemeine Einschätzung. Abgesehen von seiner exzentrischen Religion wurde er von den anderen bewundert und gemocht.
»Marvin, wenn du dich so weiterentwickelst, krieg’ ich Angst vor dir!« sagte Ghosn lachend zu seinem amerikanischen Freund.
»Ibrahim, zu euch zu kommen war der beste Entschluß meines Lebens. Ich wußte ja gar nicht, daß auch andere Leute so saumäßig behandelt werden wie mein Volk – aber ihr könnt besser zurückschlagen. Ihr habt echt Mut.« Ghosn blinzelte – das von einem Mann, der einem Polizisten den Hals gebrochen hatte, als wär’s ein dürrer Ast gewesen. »Ehrlich, ich will euch helfen, will tun, was ich kann.«
»Für einen richtigen Krieger haben wir immer Platz.« Mit besseren Sprachkenntnissen gäbe er einen guten Ausbilder ab, dachte Ghosn. »So, und ich
Weitere Kostenlose Bücher