Das Echo aller Furcht
meine Beobachtungsgabe zu haben, Jack. In zwei Monaten wissen wir es genau, aber vorerst sieht es gut aus.« Er teilte weitere vier Karten aus. »Oho, die Air Force kriegt vielleicht eine Sequenz hin. Was setzen Sie?«
»25.« Dem Sergeant schien das Glück hold zu sein. »Die israelische Sicherheit ist auch nicht mehr so scharf.«
»Wieso?«
»Dr. Ryan, auf Sicherheit verstehen sich die Israelis. Wenn wir früher hierherflogen, wurde um die Maschine eine Mauer hochgezogen. Aber diesmal war sie nicht ganz so hoch. Ich sprach mit zwei Männern, und die erzählten mir, daß man sich jetzt lockerer gibt – aus persönlicher Einstellung, nicht auf Anweisung von oben. Früher haben die Leute kaum mit uns geredet. Ich habe das Gefühl, daß sich hier etwas grundlegend verändert hat.«
Ryan beschloß, das Spiel aufzugeben. Mit einer Acht, einer Dame und einer Zwei war nichts anzufangen. Aber sein Manöver hatte Erfolg gehabt. Von Sergeants bekam man immer bessere Informationen als von Generälen.
»Was wir hier vor uns haben«, sagte Ghosn und schlug eine Seite in seinem Buch auf, »ist der Nachbau einer amerikanischen Fissionsbombe mit Verstärkung vom Typ Mark 12.«
»Was bedeutet das?« fragte Kati.
»Genau im Augenblick der Zündung wird Tritium in den Kern gespritzt, das mehr Neutronen und somit eine effizientere Reaktion erzeugt. Das heißt, es wird weniger spaltbares Material benötigt...«
»Aber?« Kati hörte ein Aber kommen.
Ghosn lehnte sich zurück und starrte auf den Kern der Waffe. »Aber die Einspritzvorrichtung für das Lithium wurde beim Aufprall zerstört. Die Kryton-Schalter, die Zünder für die konventionelle Hohlladung also, sind nicht mehr zuverlässig und müssen ersetzt werden. Es sind zwar noch genug intakte Sprengstoffplatten für die Ermittlung der Gesamtkonfiguration vorhanden, aber es wird sehr schwierig sein, neue herzustellen. Leider kann ich den Konstruktionsprozeß nicht einfach umkehren, sondern muß erst das theoretische Ausgangsmodell entwickeln und dann die Fertigungsmethoden praktisch neu erfinden. Wissen Sie, was dieser Prozeß ursprünglich gekostet hat?«
»Nein«, gab Kati zu.
»Mehr als die Mondlandung. An dem Projekt arbeiteten die brillantesten Köpfe der Menschheitsgeschichte: Einstein, Fermi, Bohr, Oppenheimer, Teller, Alvarez, von Neumann, Lawrence und hundert andere. Die Giganten der Physik in diesem Jahrhundert.«
»Soll das heißen, daß Sie es nicht schaffen?«
Ghosn lächelte. »Nein. Ich kriege das hin. Was anfangs nur ein Genie bewältigte, bringt später auch schon ein Bastler fertig. Zuerst brauchte man ein Genie, als es um die Erfindung ging und die Technologie so primitiv war. Alle Berechnungen mußten zum Beispiel mit mechanischen Rechenmaschinen ausgeführt werden. Die gesamte Arbeit an der ersten Wasserstoffbombe wurde mit den ersten, noch sehr einfachen Computern – ›Eniacs‹ hießen sie, glaube ich – ausgeführt. Aber heute?« Ghosn lachte über den absurden Kontrast. »Heute hat ein Videospiel mehr Computerkapazität als ein Eniac. Berechnungen, für die Einstein Monate brauchte, bewältigt ein guter Personalcomputer in Sekunden. Entscheidend aber ist, daß die Physiker damals nicht wußten, ob die Atombombe überhaupt möglich ist. Ich aber weiß das. Die Physiker hinterließen Protokolle ihrer Arbeit. Und ich habe schließlich eine Arbeitsvorlage. Ich kann die beschädigte Bombe zwar nicht nachbauen, aber als theoretisches Modell benutzen.
Tja, und wenn man mir zwei, drei Jahre Zeit gibt, schaffe ich das sogar allein.«
»Haben wir denn so viel Zeit?«
Ghosn, der bereits von seinen Eindrücken in Jerusalem berichtet hatte, schüttelte den Kopf. »Nein, Kommandant.«
Kati erklärte, welchen Auftrag er seinem deutschen Freund gegeben hatte.
»Vorzüglich. Wo ist unser neues Hauptquartier?«
Berlin war wieder die Hauptstadt Deutschlands. Auch Bock hatte sich das gewünscht, aber als Kapitale einer anderen Republik. Er war über Syrien, Griechenland und Italien eingeflogen und an den Paßkontrollen durchgewinkt worden. Anschließend hatte er sich ein Auto gemietet und war über die E 251 nach Greifswald gefahren. Günther hatte sich für einen Mercedes entschieden und rechtfertigte die Wahl damit, daß er schließlich als »Geschäftsmann« unterwegs war. Außerdem hatte er nicht das schwerste Modell genommen. Manchmal glaubte er nun, ein Mietfahrrad wäre vernünftiger gewesen. Die von der Regierung der alten DDR
Weitere Kostenlose Bücher