Das Echo aller Furcht
kann der Senat die Sache bis zum 16. Oktober ratifiziert haben.«
»An Ehrgeiz mangelt es Ihnen nicht«, merkte Arnie an. »So, ich habe noch zu arbeiten. Wenn Sie mich entschuldigen wollen, Mr. President?«
»Bis morgen, Arnie.«
Fowler trat an das Fenster über der Pennsylvania Avenue. Über dem Asphalt flimmerte die Luft in der Augusthitze. Gegenüber im Lafayette Park standen noch zwei Atomwaffengegner mit Transparenten. Fowler grinste verächtlich und schnaubte. Wußten diese Spinner denn nicht, daß Atomwaffen längst überholt waren? Er drehte sich um.
»Elizabeth, haben Sie Lust, mit mir zu Abend zu essen?«
Dr. Elliot strahlte ihren Chef an. »Aber sicher, Bob.«
Das einzig Gute an den Drogengeschäften seines Bruders war, daß er einen alten Koffer mit fast hunderttausend Dollar zurückgelassen hatte. Marvin hatte das Geld an sich genommen und war nach Minneapolis gefahren, um sich ordentliche Kleidung, anständiges Reisegepäck und einen Flugschein zu kaufen. Im Gefängnis hatte er unter anderem gelernt, wie man sich eine andere Identität beschafft, und besaß nun gleich drei Pässe, von denen die Polizei nichts wußte. Das Gefängnis hatte ihn außerdem gelehrt, sich unauffällig zu verhalten. Seine Kleidung war vorzeigbar, aber nicht knallig. Er kaufte ein Standby-Ticket für einen Flug, der wahrscheinlich unterbucht war, und sparte so einige hundert Dollar. Der Rest des Geldes, 91 545 Dollar, mußte lange reichen, denn da, wo er hinwollte, war das Leben nicht billig. Menschenleben hingegen schon, die zählten dort wenig. Nun, damit kann sich ein Krieger abfinden, dachte er.
Nach einem Zwischenstopp in Frankfurt flog er in südlicher Richtung weiter. Russell, ein gewitzter Mann, hatte vor vier Jahren an einer Art internationaler Konferenz teilgenommen – die Reise hatte ihn eine komplette Identität gekostet – und gelernt, wie man Kontakte herstellt. Internationale Terroristen sind angesichts der vielen Verfolgungen notgedrungen vorsichtig. Ohne es zu wissen, hatte Russell Glück – einer von drei Kontakten, an die er sich erinnerte, war schon vor langer Zeit zusammen mit zwei Mitgliedern der Roten Brigaden aufgeflogen. Er wählte eine der anderen beiden Nummern, es klappte, und er wurde in Athen zu einem Treff geführt, bei dem man ihn überprüfte und ihm den Weiterflug genehmigte. Russell war hastig in sein Hotel zurückgekehrt – er vertrug das griechische Essen nicht – und wartete nun nervös auf einen Anruf. Trotz aller Vorsicht fühlte er sich angreifbar. Er hatte noch nicht einmal ein Taschenmesser dabei – bewaffnet zu fliegen war viel zu gefährlich – und war jedem bewaffneten Polizisten vollkommen ausgeliefert. Was, wenn sein Kontakt »verbrannt« war? Dann würde man ihn hier verhaften oder in einen sorgfältig geplanten Hinterhalt locken, aus dem es nur mit Glück ein Entkommen gab. Europäische Ordnungshüter scherten sich weniger um verfassungsmäßig garantierte Rechte als ihre amerikanischen Kollegen – aber er verwarf diesen Gedanken sofort, als er sich entsann, wie das FBI mit seinem Bruder umgesprungen war.
Verdammt! Wieder ein Sioux-Krieger abgeknallt wie ein Hund. Er hatte noch nicht einmal Zeit für die Totenklage gehabt. Dafür sollen sie büßen, dachte Russell und korrigierte sich: Zumindest, wenn ich lange genug lebe.
Er saß in dem dunklen Zimmer am Fenster, beobachtete den Verkehr, hielt Ausschau nach der Polizei, wartete auf den Anruf. Wie soll ich meinen Bruder rächen? fragte sich Russell, ohne daß er eine Antwort darauf wußte, aber das machte nichts. Entscheidend war, daß er überhaupt etwas unternahm. Der Geldgürtel spannte und trug an seiner Taille auf: ein Nachteil seines Krafttrainings. Aber er durfte sein Kapital nicht verlieren. Was machte Geld doch für Umstände! DM in Deutschland, Drachmen oder Drachen oder was sonst hier in Griechenland. Zum Glück hatte er seinen Flugschein in Dollar bezahlen können. Aus diesem Grund zog er amerikanische Fluggesellschaften vor; die Stars and Stripes am Heck waren ihm schnuppe. Das Telefon ging. Russell nahm den Hörer ab. »Ja?«
»Warte morgen um halb zehn reisefertig vor dem Hotel. Verstanden?«
»Neun Uhr dreißig. Verstanden.« Es wurde aufgelegt.
»Gut«, sagte Russell, stand auf und ging zum Bett. Die Tür war mit einer Vorhängekette gesichert und zweimal abgeschlossen; außerdem hatte er einen Stuhl unter die Klinke geklemmt. Marvin bedachte seine Lage. Wenn dies eine Falle war,
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