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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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dem Maul.
    »Schade, dass du nicht sprechen kannst wie Kraark.«
    »Ook, ook, oook.«
    »Na ja, wahrscheinlich habe ich nur nicht den richtigen Sinnstein für die Schelpinsprache.«
    »Ook, ook, oook.«
    Jonas streichelte das kurze, dichte Fell über Trojans Nase. Er war froh zumindest noch diesen wortkargen Freund bei sich zu haben. Wenn wenigstens Kraark da gewesen wäre! Wo war der eigensinnige Vogel nur geblieben? Darinas Worte bezüglich des Raben klangen ihm noch immer in den Ohren. Bestimmt hatte ihr Misstrauen durch die jüngsten Ereignisse nur noch mehr Nahrung erhalten.
    Mit aller Macht vertrieb Jonas die nagenden Zweifel. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass Kraark die Freunde mit Absicht in die Irre geleitet hatte. Aber warum nur war er verschwunden?
    Jonas versuchte sich abzulenken. Er nahm Trojan den Sattel ab. Er rollte mit großer Sorgfalt den Schlafsack aus. Er kaute langsam auf dem Kanten Brot und dem Stück Käse herum, die er noch von der letzten Rast übrig behalten hatte. Und er versuchte an den nächsten Tag zu denken. Ohne es recht zu merken, schlief er darüber ein.
    Anders als in der Nacht zuvor hatten hässliche Träume Jonas immer wieder aufschrecken lassen. Wie er nun in der ersten Morgendämmerung erwachte, fühlte er sich müde und zerschlagen. Er versuchte sich an seine Träume zu erinnern, aber es gelang ihm nicht.
    Missmutig verschlang er die letzten Reserven seines Proviants und sattelte dann das Schelpin.
    »Heute musst du den Weg nach draußen finden«, bläute er Trojan ein.
    »Ook, ook, oook.«
    »Dachte mir schon, dass du so was Ähnliches sagen würdest.«
    Langsam, stets auf die gefährlichen Kanten der Kristalltafeln achtend, setzten Reiter und Schelpin ihre Wanderung fort.
    Auf dem Ritt durch das Spiegellabyrinth erlebte Jonas an diesem Tag mehrere herbe Enttäuschungen. Immer dann, wenn die engen, verwinkelten Wege sich nach einer Biegung unvermittelt weiteten, glaubte er sich endlich dem Ausgang nahe. Aber kurz darauf bog Trojan jedes Mal wieder in einen neuen schmalen Pfad ein und alles sah aus wie bisher.
    Auf diese Weise verstrich auch der zweite Tag im Kristallgarten. Als das Tageslicht sich erneut zurückzog, fiel der Mut des Jungen auf einen weiteren Tiefpunkt. Trojan hatte zwar kein einziges Mal eine Stelle mit Jonas’ Sinnsteinmarkierungen passiert, aber was nützte das schon, wenn er nicht den Ausgang fand?
    Mit hängendem Kopf ließ sich Jonas in die Dämmerung schaukeln. Vor vier Stunden hatte er den letzten Schluck Wasser getrunken. Zwei Stunden später hatte er damit aufgehört, Pfeile in die Wände zu ritzen. Was für einen Sinn sollte das noch haben? Sein Magen knurrte und er fühlte sich müde und mutlos. Gerade wollte er Trojan zum Anhalten zügeln, als ein Ruck durch das Tier ging.
    Einem anderen wäre die Veränderung vielleicht kaum aufgefallen, aber Jonas’ Gespür für die »Sprache« der Tiere hatte ihn sogleich aufmerken lassen. Das Schelpin wirkte mit einem Mal viel lebendiger. Seine Muskeln waren angespannt. Das Spiel der Ohren hatte aufgehört, sie wiesen nun starr nach vorne.
    »Was ist, mein Guter? Hast du etwas entdeckt?« So sehr sich Jonas anstrengte, er konnte nichts erkennen.
    Trojan beschleunigte das Tempo. Sein Reiter konnte sich nur mit Mühe vor den scharfen Kanten der Kristalle in Sicherheit bringen. Die Dunkelheit war inzwischen so weit vorangeschritten, dass Jonas mehrere der gläsernen Tafeln erst im letzten Moment sah. Trojans Eifer ließ sich kaum zügeln.
    Plötzlich bemerkte Jonas eine Veränderung. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er in dem Spiegellabyrinth nicht das Geringste gerochen hatte. Nun aber nahm er einen zunehmend stärker werdenden Duft wahr. Trojans feine Nase musste ihn schon viel früher gewittert haben.
    »Ein Wald«, murmelte Jonas ungläubig. »Hier muss irgendwo ein Wald sein.«
    Er konnte noch immer nichts anderes als spiegelnde Kristallflächen sehen. Gerade bog Trojan erneut in einen breiteren Gang ein, der sich von allen vorigen in zwei wesentlichen Punkten unterschied: Er verlief auf mindestens einhundertfünfzig Fuß Länge schnurgerade und er endete an einer dunklen Wand.
    »Das ist eine Sackgasse!«, rief Jonas, als er spürte, wie Trojans Tatzen sich kraftvoll in den Sand gruben. »Aber was machst du denn? Willst du uns an der Wand zerschmettern?«
    Trojan ließ sich von diesen Einwänden nicht beirren. Er galoppierte immer schneller auf den dunklen Fleck am Ende des Ganges zu. Jonas

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