Das Echo der Flüsterer
Augen verlieren.«
»Ich pass schon auf.« Kraark sprang in die Luft und nahm dabei ein Büschel Haare von Trojans Nacken mit. Das Schelpin brummte unwillig.
»Seid ihr noch da?«, rief Jonas in den vorausliegenden Gang.
»Hier vorn«, kam Darinas Antwort zurück. Ihre Stimme klang weiter weg als zuvor.
»Bleibt stehen!« Jonas’ Herz hämmerte in seiner Brust. Er drehte sich um, weil er hoffte, Sams rundes Gesicht würde ihn ein wenig aufheitern, doch da ereilte ihn der nächste Schrecken.
Der Pilot war nicht mehr da. Eine der Kristalltafeln musste auch die hintere Verbindungsleine gekappt haben.
»Jonas! Joonaaas!« Ein vielstimmiges Rufen, leiser und leiser werdend.
»Bleibt doch stehen! Ihr entfernt euch ja immer weiter von mir«, rief er verzweifelt. Er sah sich nach Kraark um. Aber auch der Rabe war verschwunden.
Jonas’ schlimmste Befürchtungen schienen sich zu bewahrheiten. Er konnte überhaupt nicht fassen, wie schnell er die anderen verloren hatte. Allein würde er in diesem Irrgarten gewiss zugrunde gehen. Er stieg von Trojans Rücken und sah sich nach allen Seiten um. Große Augen blickten ihn an. Augen, in denen blanke Furcht stand. Seine eigenen Augen.
Es hatte keinen Zweck, hier stehen zu bleiben und zu warten. Wenn er und seine Freunde nicht aufeinander zugingen, dann würden sie sich niemals wieder treffen.
»Seid ihr noch da?«
Die Antwort auf sein verzweifeltes Rufen war kaum noch zu verstehen. Den Zügel nahe bei Trojans Maul haltend, schritt er vorsichtig voran. Er wollte nicht auch noch sein Reittier verlieren.
»Wo seid ihr?«
Stille.
Jonas blieb stehen. In seinen Adern schien Eiswasser zu zirkulieren. Verzagt sah er in Trojans gelbe Augen. Das Schelpin blickte erwartungsvoll zurück.
»Antwortet doch bitte! Ich bin hier!«, schrie Jonas noch einmal, aber auch diesmal kam keine Antwort.
Kraftlos sank er in sich zusammen. Er war völlig niedergeschmettert. Sollte seine Suche nach den Eltern wirklich so enden? Noch mehrmals brachen die Namen seiner Gefährten aus ihm hervor, verzweifelte Rufe, in denen wenig Hoffnung lag. Die einzige Antwort, die er erhielt, war der Hall seiner eigenen Stimme.
Jonas war allein. Verloren…
Er saß schlaff auf dem sandigen Boden. Später hatte er nie sagen können, wie lange. Seine Gedanken waren ein trüber Pfuhl, in den er hinabblickte, ohne etwas zu erkennen. Selbst seine Empfindungen schienen betäubt. Jonas konnte nicht einmal weinen. Erst nach geraumer Zeit stiegen Bilder aus seinem düsteren Bewusstsein auf – seine Eltern, Lydia Gustavson…
Nein! Es durfte nicht zu Ende sein. Nicht hier. Nicht so. Schließlich wäre er gar nicht erst so weit gekommen, hätte er seine Entscheidungen nach den eher geringen Erfolgsaussichten getroffen. Alle hielten seine Eltern für tot und er war trotzdem zur Suche nach ihnen aufgebrochen. Er würde schon einen Ausweg aus diesem Spiegellabyrinth finden. Noch war er bei Kräften.
Jonas kletterte wieder auf Trojans Rücken. »Komm, mein Guter. Wenn uns jemand hier herausführen kann, dann du. Such die Berge am Ende des Tals.«
Das Schelpin schien jedes Wort seines Herrn zu verstehen. Trojan ließ ein leises »Ook, ook, oook« ertönen und setzte sich in Bewegung.
Während Jonas sich von dem Instinkt seines Schelpins führen ließ, kam ihm eine Idee. Er zog seinen Sinnstein aus der Hosentasche und ließ ihn im Vorbeireiten an einer Kristallwand entlangkratzen. Wie er gehofft hatte, war der blaue Bilm härter als der klare Kristall der Labyrinthwände. Von nun an konnte er also Markierungen anbringen. Sollte er zu einer Stelle zurückkehren, an der er schon einmal gewesen war, würde er dies bemerken.
Erstaunlicherweise trat dieser Fall aber nicht ein. Jonas war sich nicht ganz sicher, ob er darüber froh sein sollte. Trojans Weg mündete nie in einer Sackgasse. Das Schelpin trug seinen Reiter zielsicher durch das Labyrinth, ohne dass es ein einziges Mal umkehren musste. Die Möglichkeit, dass der Kristallgarten einfach zu groß war, um zweimal dieselbe Stelle zu passieren, verbannte Jonas wohlweislich aus seinem Sinn.
Die Stunden rannen dahin wie Regentropfen auf einer Fensterscheibe. Nur das langsame Schwinden des Tageslichtes zeigte, dass die Zeit verging. Als Jonas kaum noch etwas sehen konnte, ließ er Trojan anhalten.
»Ich kann meine Markierungen nicht mehr erkennen«, sagte er an das Schelpin gewandt.
Trojan sah ihn mit schief gelegtem Kopf an. Die Zunge des Tieres hing schräg aus
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