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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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so gut wie nie.«
    »Das beruhigt mich.«
    »Sollen wir dir etwas zu essen besorgen?«
    »Du meinst frisch gerissenes Karnickel oder so was?«
    »Wähle und wir werden sehen, was wir für dich tun können.«
    »Wie wär’s mit einem Eier-Käse-Sandwich und ‘ner Cola?«
    Minuq legte den Kopf schief und beäugte Jonas wie eine Schlammkröte.
    »Vergiss es«, wiegelte der schnell ab. »Unterwegs habe ich hier und da etwas abgezupft und außerdem befinden sich in meiner Satteltasche noch ein paar von den Nüssen.«
    »Die, welche du unter der alten Labunde aufgelesen hast?«
    Jonas sah den großen Wolf mit gerunzelter Stirn an. »Habe ich das erwähnt?«
    »Sei sparsam mit diesen Nüssen«, riet Minuq ernst. »Am besten isst du nicht mehr als eine am Tag.«
    »Sind sie etwa giftig?«
    »Nein, nein.« Minuq stieß ein wölfisches Lachen aus. »Sie könnten nur zu gesund für dich sein. Eine einzige reicht aus, um dir Kraft für einen ganzen Tag zu geben.«
    »Ach so.« Jonas hatte sich schon gewundert, warum er in den letzten beiden Tagen mit so wenig Nahrung ausgekommen war.
    »Leg dich jetzt schlafen, Jonas. Der morgige Tag wird noch einmal anstrengend sein, aber dann ist der Weg in die Stadt der zwei Weisen fast schon ein Welpenspiel.«
    »Und du? Schläfst du denn nie?«
    Minuqs offenes Maul schien Jonas anzugrinsen. »Jetzt beginnt erst die Tageszeit der Wölfe. Oder hast du geglaubt, wir werden von Nüssen satt?«
     
     
    Als Minuq Jonas am nächsten Morgen begrüßte, schimmerte das Fell in seiner linken Gesichtshälfte rötlich. Der Leitwolf hatte sein Festmahl gehabt.
    »Fühlst du dich kräftig genug für einen kleinen Gebirgsritt?« Die Stimme Minuqs klang fast beleidigend fröhlich.
    Jonas streckte seine schmerzenden Glieder und nickte. »Wird schon gehen. Wenn das alles hier vorüber ist, vergrabe ich mich in meinem weichen Bett und strecke die Nasenspitze erst nach drei Wochen wieder raus.«
    »Ich wusste gar nicht, dass Menschen und Maulwürfe sich so ähnlich sind.«
    Knapp eine halbe Stunde später schaukelte Jonas wieder durch das bergige Gelände. Obwohl er jedes Mal einen gequälten Ausdruck zur Schau stellte, wann immer Talinka oder Minuq zu ihm herübersahen, genoss er die Aussicht. So faszinierend die Everglades daheim auch waren, so atemberaubend erschien ihm die Landschaft hier. Von den Passhöhen hatte man meist den besten Überblick. Die Gebirgslandschaft breitete sich dann zu Jonas’ Füßen aus wie eine grüne, auf einem Tisch zusammengeschobene Decke. Hier und da schwebten vereinzelt Nebelschwaden über die Hänge wie in einem geheimnisvollen Schleiertanz. An keiner Stelle konnte man nackte Felsen erkennen. Sogar steile Kegel und meilenlange Grate waren von einem weichen Grün überzogen, das so flockig wirkte wie Trojans Fell.
    Um die Mittagszeit gönnte Minuq seinem Schützling eine kleine Erholungspause.
    »Müssten wir nicht schon längst da sein?«, fragte Jonas.
    »Wir befinden uns knapp unterhalb eines Passes. Oben angekommen wirst du Keldins Klippe sehen.«
    Seltsamerweise war Jonas bei Minuqs Ankündigung überhaupt nicht erleichtert. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Burg Keldins für ihn nicht viel mehr als ein Sagenbild gewesen. Doch nun, da er im Begriff stand, diesen Ort mit eigenen Füßen zu betreten, brach eine Lawine von Fragen über ihn herein: Würde er den Spiegel des Schmiedes finden? (Die Wölfe hielten die Spitze der Klippe für eine verfluchte Stätte und hatten ihm diese Frage nicht eindeutig beantworten können.) Und wenn ja, was sollte er mit ihm anfangen? Konnte er denn allein zu Kennedy und Chruschtschow, zu Castro oder zu wem auch immer flüstern, um die brenzlige Situation in Kuba zu entschärfen? (Er schätzte seine Fähigkeiten in diesem Punkt nicht sehr hoch ein.) Und wenn er den Spiegel bis nach Kalvar schleppte? Vielleicht war er ja viel zu groß, viel zu schwer zum Transportieren. Und dann: Würden die zwei Weisen ihn überhaupt empfangen? Wären sie bereit und in der Lage ihm zu helfen…?
    »Jonas, ist alles in Ordnung mit dir?«
    Der Junge schüttelte den Kopf wie ein nasser Wolf. Er lächelte Minuq verlegen an. »Ich habe nur gerade nachgedacht.«
    »Das kann selten schaden.«
    »Muss ich wirklich allein zu der Burg hochsteigen?«
    »Ich werde dich so weit wie möglich begleiten. Aber der Gipfel der Klippe ist für uns Wölfe tabu. Wir meiden die Orte der Keldinianer und vor allem diese Burg.«
    »Aber ich denke, ihr wisst nicht einmal, warum sie

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