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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Talinka?«
    »Es beruhigt mich, dass du von diesen Dingen weißt. Es zeigt mir, dass Kraark dir wirklich vertraut haben muss. Ich möchte unbedingt deine ganze Geschichte hören, aber lass mich zuerst mit meinen Wölfen sprechen.«
    Während Jonas sich schwerfällig auf die Beine stellte – in den letzten Tagen war er so oft gestürzt, dass sein ganzer Körper aus einem einzigen blauen Flecken zu bestehen schien –, informierte Minuq sein Rudel über das Ende der Jagd. Jonas seinerseits versuchte Trojan zu beruhigen, was ihm nur teilweise gelang. Dann steckte er seinen noch immer brennenden Knüppel zwischen zwei Steine und häufte schnell ein paar trockene Äste darum herum. Zum Schluss breitete er seinen Schlafsack auf dem ebenen Untergrund aus und nahm darauf Platz.
    Minuq kam aus dem engen Ring der wartenden Wölfe herausgetrottet und nahm rücksichtsvollerweise auf der Seite des Feuers Platz, die von Trojan am weitesten entfernt war. Das Schelpin knurrte den Wolf zwar nicht mehr an, aber sein Fell war eindrucksvoll gesträubt und es ließ den grauen Jäger keinen Augenblick aus den Augen.
    »Es tut mir Leid, dass Trojan dich verletzt hat«, eröffnete Jonas das Gespräch, während er gleichzeitig auf die blutigen Striemen auf Minuqs Unterseite deutete.
    »Du hast ein wirklich tapferes Schelpin zum Freund«, antwortete der Wolf, doch noch ehe er wieder auf Jonas’ Geschichte zurückkommen konnte, war in der Ferne ein Heulen zu vernehmen. »Talinka!«, entfuhr es ihm aufgeregt.
    »Deine Mutter? Sie lebt also noch?«
    »Natürlich. Sie ist eine wirklich einzigartige Wölfin! Wie Kraark gelangte sie als Wanderer von der Menschenwelt nach Azon. Seit dieser Zeit besitzt sie den Verstand einer Weisen und ist größer als jeder andere Wolf auf der Erde. Erst vor ein paar Jahren hat sie mir die Führung des Rudels kampflos überlassen. Aber ihre Stellung unter den anderen Wölfen ist immer noch unangefochten.«
    Jonas hatte Minuqs Schilderung so fasziniert verfolgt, dass er die große Wölfin erst bemerkte, als sie hechelnd aus dem Ring der anderen Graufelle hervortrat.
    »Minuq!«, begrüßte sie ihren Sohn erregt. »Wie gut, dass du dem Menschenkind nichts angetan hast. Ich dachte schon, ich würde zu spät kommen.«
    »Beinahe wärst du das auch, Mutter. Aber Jonas hat mich besiegt.«
    Die Wölfin hob ungläubig den Kopf und sagte streng: »Minuq, du machst dich doch nicht schon wieder über mich lustig?«
    Der Leitwolf, der sogar seine Mutter an Größe überragte, lachte leise. »Das würde ich mir nie erlauben, Mutter. Jonas hat nur ein einziges Wort verwandt und mein Angriff brach zusammen.«
    Talinkas gelbe Augen ruhten streng auf ihrem Sohn.
    »Das Wort heißt ›Kraark‹«, fügte Minuq hinzu.
    »Kraark? Der unverschämte Rabe etwa, der mir drei Winter lang den Nerv getötet hat? Das Menschenkind kennt diesen Raben?«
    »Du hast den Vogel gemocht wie nur wenige im Rudel«, erinnerte Minuq seine Mutter.
    »Sagen wir, es handelte sich um eine Art Hassliebe.«
    Jonas konnte deutlich spüren, dass in Talinkas Stimme eher Zuneigung als Ablehnung lag. »Woher weißt du eigentlich von mir?«, fragte er die Wölfin freiheraus.
    »Merleander hat mir von dir berichtet.«
    »Merleander! « Der Name löste in Jonas ein seltsames Gefühl aus. Was er empfand, war durchaus positiv, ja, sogar angenehm – aber er konnte sich einfach nicht mehr erinnern, wer dieser Merleander sein sollte. Er zuckte mit der Schulter und sagte: »Ich fürchte, den Name kenne ich nicht.«
    »Er ist der Herr des Waldes.«
    »Wohnt er hier in der Nähe?«
    »Etwa eine Tagesreise weit weg.«
    »Aha. Vielleicht sollte ich ihn besuchen und fragen, ob er weiß, wie ich Keldins Spiegel finden kann.«
    »Das wird nicht nötig sein. Merleander hat mir aufgetragen dich zur Burg Keldins zu führen.«
    »Das ist sehr nett von ihm, aber wie kommt er überhaupt dazu? Ich kenne ihn doch gar nicht.«
    Die Wölfin saß einen Augenblick nur da und ließ die Zunge aus dem Maul hängen. Jonas hätte schwören können, dass sie ihn anlächelte, so wie Erwachsene manchmal lächeln, wenn sie kleinen Kindern beim Spielen zusehen. »Es genügt, dass er von dir weiß, Jonas.«
    »Kann ich mich nicht wenigstens bei ihm bedanken?«
    »Das hast du schon getan, indem du die Kristallblume mit neuem Leben erfülltest. Merleander ist schon sehr alt – um genau zu sein, sogar das älteste Lebewesen in diesem Wald. Er lebt sehr zurückgezogen und hat seinen Stammplatz schon

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