Das Echo der Flüsterer
kommen. Ihr anderen müsst solange draußen warten.«
»Ziemlich pingelig, eure Weisen«, nörgelte Sam.
»Hab nur ein wenig Geduld«, sagte die Wissende zu dem Piloten. »Wir werden Jonas bald folgen können.«
Der Junge bedachte Darina mit einem Stirnrunzeln. Dann folgte er Numin in den Lapislazulipalast.
Im Gebäude herrschte Dämmerlicht. Es gab zwar viele Fenster, diese waren jedoch mit langen Stoffbahnen verhängt. Der Sohn des Oberältesten von Kalvar führte den Besucher zuerst durch eine Vorhalle und von dort in einen blühenden Innenhof. In dem Garten plätscherte ein Springbrunnen, Vögel zwitscherten und der Duft wunderschöner Blumen erinnerte Jonas an Großmutter Roses botanische Abteilung auf der Alligatorenfarm. Vor dem Brunnen schlug Numin einen Haken nach links und führte den Jungen in das Haus zurück. Sie durchschritten zwei Zimmer, die nicht ganz so düster waren wie der Eingangsbereich des Palasts. Pastellfarbene Vorhänge ließen weiches Licht hereinsickern. Die Räume maßen mindestens vierzig mal vierzig Fuß, waren also alles andere als klein.
Am Eingang zu einem weiteren Zimmer blieb Numin stehen. Die Tür war halb angelehnt. Er bedeutete Jonas zu warten und schlüpfte dann durch den Spalt.
Jonas verfolgte ihn mit den Augen und versuchte die Schatten des anderen Raumes zu durchdringen. Es gab auch dort ein Fenster, wie alle anderen mit einer Stoffbahn verhangen. Das Tuch war sehr dunkel und ließ nur wenig Licht herein. Dennoch konnte Jonas einen Schemen erkennen. Die Silhouette einer Frau hob sich deutlich vor dem Fenster ab. Langes glattes Haar fiel ihr über die Schultern. Sie saß einfach nur da und rührte sich nicht, schien nicht einmal zur Tür hinzublicken, in der doch gleich der Gast erscheinen musste.
Leises Flüstern drang an Jonas’ Ohr. Zuerst verstand er gar nichts, aber dann…
»Und du bist sicher, dass er ein Wanderer ist?«, fragte eine fremde Stimme. Sie klang weich und müde, doch sie gehörte eindeutig einem Mann. Etwas an dieser Stimme ließ Jonas aufhorchen.
»Eigentlich handelt es sich um zwei Wanderer, ehrenwerter Robin. Aber nur einer von ihnen ist ein Junge«, antwortete Numin.
»Und er hat gesagt, sein Name sei Jonas?«
»Jonas und noch irgendetwas. Der Name war so kompliziert, dass ich ihn vergessen habe.«
»Hieß er vielleicht McKenelley?«
Jonas’ Herz setzte für einen Augenblick aus. Woher kannte dieser Robin seinen Namen?
»Ja, genau!« Numin schien erstaunt. »Deine Weisheit ist größer als…«
»Würdest du ihn bitte hereinrufen«, unterbrach die Stimme des Mannes freundlich den Keldinianer.
»Ja, natürlich.«
Ein Schatten näherte sich der Tür.
»Und warte bitte im Garten, bis ich dich rufe.«
»Ja, Lehrer.«
Jonas starrte auf den kleinen Mann herab, der sich in diesem Augenblick wieder durch den Türspalt schob.
»Robin möchte, dass du jetzt hereinkommst.«
Der Junge reagierte nicht. Er blickte nur wie benommen in Numins funkelnde Augen.
»Was ist mit dir?«
Langsam kam Jonas wieder zu sich. »Wie…?«
»Robin möchte dich jetzt sehen.«
»Ja. Gut.«
»Ich warte im Innenhof auf dich.«
»Ja.«
»Geht es dir auch wirklich gut?«
»Ja.«
Numin blickte Jonas etwas zweifelnd an, lächelte dann aufmunternd und verschwand in Richtung Garten.
Der Junge schaute wieder durch die halb geöffnete Tür. Der Schatten der Frau war verschwunden. Endlich gehorchten ihm seine Beine und er ging langsam auf den Spalt zu. Als er sich wie Numin in den Raum schieben wollte, sagte eine Stimme: »Du kannst die Tür ruhig öffnen. So können wir dich besser sehen.«
Jonas gehorchte. Langsam schob er die schwere Holztür mit der linken Hand zur Seite. Zu seiner Rechten gab es einen großen Kamin. Davor befand sich ein Lehnstuhl, in dem er den Schatten der Frau entdeckte. Dahinter stand ein anderer, großer, schmaler Schemen.
Die beiden dunklen Gestalten blickten zu Jonas herüber, der wie angewurzelt in der Tür stand. Er konnte sein Herz schlagen hören. Langsam erhob sich der Schatten der Frau, fürsorglich gestützt von dem Mann. Sie ging einen Schritt auf Jonas zu.
Die Unruhe in ihm wurde immer stärker. Sie entsprang irgendwo in der Magengrube und überschwemmte von dort seinen ganzen Körper. Seine Knie wurden weich. Ein Schauer nach dem anderen lief ihm über den Rücken. Es war keine wirkliche Angst, die er empfand, allenfalls befürchtete er, dass jeden Moment das Licht angehen und dieses Bild verschwinden könne. Die
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