Das Echo der Flüsterer
Jahr war in Sarah und Robert das Bedürfnis stärker geworden Jonas eines Tages zu sich zu holen. Sie wohnten längst auf dem Hügel am Rande Kalvars und sie wussten vom Echo der Flüsterer: Wenn diese im Chor sprachen, konnte ihr Wirken nicht nur nach Azon zurückstrahlen, nein, sie waren sogar imstande ein Tor zu öffnen und Menschen in die Welt unter dem blauen Kristall zu rufen. Das hatten sich die beiden Weisen vorgenommen, die man in Kalvar nur als Robin und Saphirah kannte – zwei Namen wie zwei kalte Steine, die nur dem Wissenden verrieten, wer sie wirklich waren.
DIE ENTDECKUNG
»Ich habe es nur geahnt. Es war nicht viel mehr als ein flüchtiger Blick durch wabernde Nebelschwaden.« Darinas blaue Augen waren so tief, dass Jonas glaubte, darin ertrinken zu können. Sie lächelte wie jemand, der sich gerade einer großen Dummheit bewusst geworden ist. »Stell dir vor, Jonas, mein Gefühl hätte mich getrogen und die zwei Weisen wären nicht deine Eltern gewesen. Diesen Schmerz konnte ich dir einfach nicht zufügen. Nicht dir, meinem Retter.«
Jonas schlug die Augen nieder. Er wünschte, Darina würde nicht ständig diesen Aspekt ihres gemeinsamen Weges betonen. Er nickte und sah sie mit schiefem Lächeln an. »Wahrscheinlich hast du Recht. Ich bin dir nicht böse. Am Anfang war ich es, aber jetzt nicht mehr.«
»Es wäre auch ziemlich dumm, unzufrieden zu sein, wenn man seine Eltern sowie Keldins Spiegel wieder entdeckt und zudem noch eine Möglichkeit gefunden hat Kanthelm eins auszuwischen«, krähte Kraark. Er saß noch auf der Tischplatte, weil er gerade eine knallrote Traube von Jonas’ Teller stibitzt hatte.
»Was hat er gesagt?«, erkundigte sich Sarah.
»Er meint, dass Undankbarkeit mir nicht gut stehen würde.«
»Dein Rabe ist ein sehr kluges Tier«, bemerkte sein Vater.
»Manchmal auch von bestechender Direktheit. Übrigens hört er es nicht gern, wenn man ihn als meinen Raben bezeichnet. Korax Korbinian Kraark hat seinen eigenen Kopf.«
Einige am Tisch lachten. Sarah bot ihren Gästen noch weitere Getränke an und wurde zaghaft nach verschiedenen Einzelheiten aus ihrem Leben gefragt. Viele Stimmen waren nun gleichzeitig zu hören – Jonas’ Gedanken begannen abzuschweifen, die Erlebnisse der vergangenen Stunden beschäftigten ihn noch sehr, da drang eine warme Stimme an sein Ohr.
»Jonas, darf ich dich kurz sprechen?«
Er wandte sich zur Seite und erblickte die Wölfin und ihren Sohn. »Talinka! Was kann ich für dich tun?«
»Wir werden euch nun verlassen.«
»Ihr…?« Jonas war völlig überrascht.
»Du hast Kalvar wohlbehalten erreicht, du bist sogar wieder bei deinen Eltern, wir können nichts mehr für dich tun.«
Jonas begleitete die beiden Wölfe noch bis an den Fuß des Hügels. Seine Versuche die Graupelze zum Bleiben zu überreden erwiesen sich als fruchtlos, aber das wunderte ihn nicht. Minuq war ein sehr pflichtbewusster Leitwolf. Seine Gedanken waren bei seinem Rudel und Talinka sehnte sich nach der Stille des Großen Waldes zurück. Abgesehen von Jonas hatte ihr nie viel an den Menschen oder an dem Kleinen Volk gelegen.
Zum Abschied umarmte Jonas die beiden Wölfe und strich ihnen über das dichte Fell. »Ich werde euch nie vergessen«, versprach er Minuq.
Der mächtige Leitwolf schien ihn anzulächeln. »Auch die Wölfe des Großen Waldes werden sich deiner auf ewig erinnern, mein Freund.«
Noch lange schaute Jonas den beiden Wölfen hinterher. Kraark saß auf Minuqs Rücken. Er hatte versprochen gegen Abend wieder zurück zu sein.
Als die Dämmerung heraufzog, füllte sich allmählich der Saal des Großen Rats von Kalvar. Beim Anblick der Ältesten musste Jonas unweigerlich an die Mitglieder des Kristallrats von Laomar denken. Erstaunlich, wie ähnlich die Traditionen des Kleinen Volkes waren, obwohl Bonkas und Keldinianer seit ewigen Zeiten keinen Kontakt mehr hatten.
Nabin, Numins Vater, begrüßte jeden Einzelnen, indem er sich mit der flachen Hand auf die Brust klopfte und eine Verbeugung andeutete. Der Oberälteste von Kalvar war fast so zierlich wie Darina, hatte aber eine im Vergleich dazu ungewöhnlich tiefe Stimme. Sein Haar war schon grau, ebenso wie sein voller Bart, aber wenn man in seine kraftsprühenden, dunklen Augen blickte, wusste man sogleich, wessen Sohn Numin war.
Jonas saß an der Seite seines Vaters und betrachtete nachdenklich dessen Gesicht.
»Was ist, mein Junge? Warum starrst du mich so an?«
»Du und Mutter, ihr
Weitere Kostenlose Bücher