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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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beiden seht fast noch genauso aus wie auf dem Foto, das auf meinem Nachttisch steht.«
    »Das liegt wohl daran, dass die Wanderer auf Azon wesentlich langsamer altern als auf der Erde.«
    »Wirklich?«
    »Wir könnten hier bestimmt fünfmal so alt werden wie in der Welt über dem blauen Kristall.«
    »Das habe ich nicht gewusst.«
    Als Nabin die Sitzung eröffnete, konnte er anfangs kaum Ruhe in den Saal bringen. Die Ankunft der Bonkas und der Wanderer – vor allem des leibhaftigen Sohnes der zwei Weisen – war ein Ereignis von so großer Bedeutung, dass sich selbst der Oberälteste fast nicht durchzusetzen vermochte. Endlich gelang es dem schmächtig wirkenden Vorsitzenden aber doch, sich das nötige Gehör zu verschaffen, und er erklärte den Rat offiziell für eröffnet.
    Wie in Laomar zählte die Versammlung der Ältesten auch in Kalvar zwölf Köpfe. Jonas entdeckte hier allerdings vier Frauen, die um einiges jünger schienen als die störrische Syrda. Nabin erteilte sehr bald das Wort an »den ehrenwerten Robin«, wie er Jonas’ Vater zu nennen pflegte, und als nun auch das letzte Raunen erstarb, erkannte Jonas erst richtig, welch hohes Ansehen sein Vater in diesem Kreis genoss.
    Robin alias Robert McKenelley schilderte die aufregenden Ereignisse des Nachmittags. Dann bat er Jonas von seinen Erlebnissen zu berichten. Der seufzte zwar zunächst, erfüllte dann aber seine Pflicht sehr routiniert. Inzwischen hatte er gelernt, was es hieß, »seine Geschichte zu erzählen«. Nach Jonas kam Darina an die Reihe.
    Den letzten Teil des Berichts übernahmen Lischka und Ximon. Der große breitschultrige Flüsterer saß auf einer Art bequemem Gartenstuhl, der ihn zeitweilig seine Verletzung vergessen ließ. Da das Möbel offenbar für einen Menschen angefertigt worden war, wirkte der Mann vom Kleinen Volk darauf allerdings etwas verloren. Die beiden Flüsterer brachten alle Anwesenden auf den letzten Stand, was die Situation in den Vereinigten Staaten, der Sowjetunion und natürlich in Kuba anbelangte. Zum Erstaunen der beiden Ordensbrüder konnte Jonas’ Vater deren Bericht noch in vielen Punkten komplettieren.
    Der weise Robin hatte in den zurückliegenden Jahren nicht nur seinen Sohn beobachtet. Die allgemeine Weltlage und die Entwicklungen in seinem Heimatland waren ihm nicht fremd. Er wusste von der geheimen Operation Mongoose der Amerikaner wie vom sowjetischen Anadyr-Plan.
    Obwohl also schon bald keine Zweifel mehr bestanden, dass sowohl Azon als auch die Menschenwelt in höchster Gefahr schwebten, tauchte plötzlich ein Problem auf, mit dem weder Jonas noch seine Begleiter gerechnet hatten.
    »Ich bedaure zutiefst, dass wir in dieser Angelegenheit überhaupt nichts tun können.« Die Worte stammten von Nabin. Sie spalteten die Versammlung in zwei Lager.
    Der Große Rat bestätigte die Stellungnahme seines Vorsitzenden durch eifriges Nicken der Köpfe, während Darina und ihre Anhänger nur ungläubig die eigenen schütteln konnten.
    »Aber wie könnt ihr das nur sagen?«, rief die Wissende völlig überrascht. »Sollte der blaue Kristall verschüttet werden, dann wird das Zwieland genauso sterben wie die Länder zu beiden Seiten der Hängenden Berge.«
    »Das Zwieland hat sich noch nie in die Angelegenheiten der Bonkas und der Malkits eingemischt.«
    »Ja, weil es dazu gar nicht in der Lage war!«
    »Nein, weil unser Vater Keldin uns zu strengster Neutralität verpflichtet hat.«
    »Er ist in dieses Land geflohen, um seinen Verfolgern zu entgehen. Habt ihr das etwa schon vergessen?« Darina sprang vom Stuhl auf und lief am Tisch hin und her. Mal blickte sie dem einen Ältesten in die Augen, dann wieder einem anderen. »Damals hat Keldin bestimmt das Richtige getan, um sich und die Seinen zu retten, aber jetzt besteht eine ganz und gar veränderte Situation. Ihr habt gehört, dass auch die Malkits ins Zwieland zurückgekehrt sind. Ihr habt selbst die drei Gefangenen gesehen, die nur einen Steinwurf weit von hier entfernt eingesperrt sind. Wollt ihr das alles etwa ignorieren?«
    Die Gesichter der Ältesten wirkten wie versteinert. »Wir können deine Erregung gut verstehen, weise Darina, aber glaube uns, es geht nicht. Uns sind die Hände gebunden.«
    »Sind sie das wirklich?« Robert hatte sich unvermittelt von seinem Platz erhoben und stand nun vornübergebeugt, die Hände auf den schwarzen Tisch gestützt. Für die Kleinen musste er wie ein Riese wirken. »Seit einem Dutzend Jahre hört ihr nun auf unseren

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