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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Immerhin hatten einige ihrer Kolleginnen von spontanen Verhaltensänderungen der flotten GIs berichtet: Deren Zuvorkommenheit war schnell einer plumpen Zudringlichkeit gewichen, hatten sie ihren Backfisch erst einmal an der Angel. Doch nicht so Robert. Bei der ersten Verabredung entpuppte er sich als vollendeter Gentleman, weniger seiner perfekten Umgangsformen wegen, sondern vielmehr aufgrund seiner zurückhaltenden Höflichkeit.
    Um nicht die düstere Vergangenheit aufzurühren, fragte er Sarah nie nach ihren Erlebnissen unter dem NS-Regime. Stattdessen erzählte er von seiner Zeit als Kriegsberichterstatter – daher auch sein Interesse an Hemingway, »ein Kollege, gewissermaßen«. Er lächelte mit seinem Lausbubengesicht und fügte hinzu. »Nicht, dass ich mich mit ihm vergleichen wollte.«
    »Selbstverständlich nicht«, neckte Sarah ihn. Sie hatte längst entdeckt, dass Robert ein sehr gebildeter junger Mann war, der vielleicht mehr Fähigkeiten besaß, als er sich selbst eingestehen mochte.
    Dem ersten Rendezvous folgten weitere und obwohl das Verhältnis zwischen den beiden enger wurde, bewahrte sich Robert Sarah gegenüber doch immer eine fast scheue Zurückhaltung. Erst viel später sollte sie erfahren, dass dies in Wirklichkeit ein Ausdruck seiner hohen Achtung war, die er ihr entgegenbrachte. So war sie beinahe überrascht, als er ihr an einem schönen Abend Anfang Juli einen Heiratsantrag machte. Sarah dachte nur kurz über Roberts Frage nach. Drei Tage später fand die Trauung statt.
    Schon kurz danach wurden sie beide nach Berlin abkommandiert (eigentlich betraf der Befehl nur Robert, aber Sarah dachte gar nicht daran, ihn allein gehen zu lassen). Die führenden Köpfe der Alliierten hatten sich auf ein Treffen in Potsdam geeinigt und Robert sollte davon berichten. Er hielt sich immer sehr bedeckt, was seine Arbeit betraf, aber da er als gelernter Journalist von Aufklärung immer mehr hielt als von Geheimniskrämerei, erfuhr Sarah im Laufe der Zeit doch einiges über die Verhandlungen in Potsdam. Für die USA war Truman anwesend, die Briten wurden zunächst durch Winston Churchill, später durch Clement Attlee vertreten, und für die Sowjetunion gab sich Josef Stalin die Ehre. Robert lernte sie alle kennen und dazu noch viele hohe Militärs und Diplomaten aus den Delegationen der Siegermächte. Nach Abschluss des Potsdamer Abkommens am 2. August 1945 hatte Robert endlich mehr Zeit für seine Frau. Ein Kriegsberichterstatter im eigentlichen Sinne des Wortes konnte er ja ohnehin nicht mehr sein (was ihn nicht traurig stimmte) und so war es nur folgerichtig, dass er im Juni 1946 seinen Abschied von der Army einreichte. Es dauerte nicht lange und dem Antrag wurde stattgegeben. Damit begann für Sarah ein ganz neues Leben in einer fremden Welt, die sich Amerika nannte.
    Als sie zum ersten Mal in ihrem Leben ein Flugzeug bestieg, zeigten die Morgennebel über dem Flugfeld von Tempelhof, dass der Sommer sich bereits seinem Ende näherte. Sie war freudig erregt, aber gleichzeitig auch zutiefst beunruhigt. Das Fliegen war ihr unheimlich und daran sollte sich auch später nicht viel ändern.
    Die Ankunft in der neuen Heimat entschädigte sie für so manche schlaflose Stunde in den stinkenden, dröhnenden und vibrierenden Propellermaschinen, die sie immer weiter nach Westen trugen. Als sie nach mehrmaligem Umsteigen in Florida das Flugzeug verließ, glaubte sie die Freiheit geradezu riechen zu können. In Deutschland wurde ihrer Meinung nach immer noch – oder schon wieder – viel zu viel reglementiert. (Sie wusste, dass diese Einschätzung ungerecht war, aber es schien ihr, als hätten die Besatzungsmächte zur Befriedung Deutschlands zunächst einmal tonnenweise Formulare abgeworfen.) In den Vereinigten Staaten von Amerika war das anders – das jedenfalls hatte Robert ihr versprochen.
    Sarah gewöhnte sich schnell an die neue Heimat – sie hatte ja nicht mehr viel, was sie an Deutschland band. Das kleine Holzhaus südlich von Miami war bald erfüllt vom Duft ihrer Blumen. Am Wochenende fuhr sie mit Robert oft zu den Schwiegereltern hinaus, die am Rande der Everglades wohnten. Sie schien in diesen Tagen all das Licht in sich aufzusaugen, das ihr in den zurückliegenden Jahren vorenthalten worden war.
    Im Dezember 1946 gerieten Tom und Rose – Roberts Eltern – ganz aus dem Häuschen, als sie von Sarahs »glücklichen Umständen« erfuhren. Was dabei herauskam, konnten sie acht Monate später selbst

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