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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Jonas.« Als er sich zu ihr bückte, wischte sie mit der Hand über den Staub. Darunter kam eine glatte, blau schimmernde Fläche zum Vorschein.
    »Das ist ja purer Kristall!«, stieß Jonas staunend hervor.
    »Ja, aber sieh mal, hier.«
    Als Jonas sich auf den Boden kniete, konnte er eine Art Öse erkennen. Der Faden des Vorhangs war damit verknüpft. »Ist das nicht…? Ich kenne diesen Knoten!«
    »Ein Midshipman’s Hitch. Ich kann dir helfen ihn zu lösen«, dröhnte Sams Stimme an sein Ohr. Der Pilot hatte sich neben ihn hingekniet und bewunderte das filigrane Geflecht.
    »Nett von dir, Sam, aber Großvater hat mir die wichtigsten Seemannsknoten beigebracht. Ich denke, ich kriege ihn allein auf.«
    Die kräftigen Schultern des Piloten zuckten nur kurz. »Für meine Pranken sind diese Bonkaknoten sowieso zu klein.«
    »Versuch die Spitze des Dolches dort anzusetzen, wo du den Knoten lösen musst«, riet Darina.
    Jonas nickte und beugte sich wieder zu dem Faden hinab. Er setzte die Spitze an und…
    »Vorsicht!«, mahnte Darina. »Wenn du den Faden zerstörst, könnte uns das später Leid tun.«
    Das Stilett zuckte wieder zurück. »Weshalb…?«
    Darina erwiderte ernst seinen Blick. »Ich weiß nicht, ob das Hängende Gebirge über uns zusammenstürzen würde. Mein Gefühl sagt Nein, aber willst du ausprobieren, ob es mich trügt?«
    »Nein, danke. Kein Bedarf. Und du glaubst, wenn ich die Fäden öffne, ohne sie zu zerstören, dann bleibt eure Welt in einem Stück?«
    Die Wissende schmunzelte. »So ungefähr stelle ich mir das vor, ja.«
    »Na herrlich!« Jonas drehte sich um und blickte unglücklich in das Meer von Kristallstrippen, die so dicht gespannt waren, dass selbst die zierliche Darina sich nicht durch sie hindurchzwängen konnte. Erneut schätzte er die Entfernung bis zur Nachbarhöhle am Ende des Tunnels. Wie weit der Vorhang sich dahinter noch erstreckte, konnte er bestenfalls ahnen. Seufzend drehte er sich zu den Gefährten um und sagte: »Ihr könnt ja schon mal ein Lagerfeuer anzünden und es euch bequem machen. Wenn ich den Vorhang aufgeknüpft habe, gebe ich euch Bescheid. Das dürfte so ungefähr in drei oder vier Wochen sein.«
     
     
    Jonas hatte sich etwas verschätzt. Die schiere Menge von Schnüren hatte ihm für einen Augenblick einfach den Mut geraubt. Zumindest wusste er jetzt, warum Darina ihre Schar so unermüdlich angetrieben hatte. Stunde um Stunde verstrich, während das schlanke Kristallstilett sich von Knoten zu Knoten vorarbeitete.
    Sobald die Spitze des Dolches eine der Kristallschnüre berührte, wurde sie geschmeidig wie gedrehtes Schiffsgarn. War der Knoten gelöst, behielt die Kristallfaser ihre Elastizität so lange bei, wie die Klinge mit ihr in Verbindung blieb. Dadurch ließ sich der Faden mühelos nach oben oder zur Seite biegen. Trennte man Dolch und Schnur wieder, wurde der Faden erneut starr wie Glas und war jetzt widerstandsfähiger als jeder Stahl.
    Bergalf kniete hinter ihm und leuchtete geduldig mit der Fackel. Nach einer Weile hallte seine Stimme durch den Gang.
    »Kann ich dich für eine Weile ablösen, Jonas?«
    Der Gefragte lag bäuchlings auf einer Decke, damit der kalte Höhlenboden ihm nicht den Magen verkühlte. Jetzt drehte sich Jonas auf den Rücken und blickte in Bergalfs Fackel.
    »Würdest du das wirklich für mich tun?«
    »Klar doch.«
    »Kennst du dich denn mit Seemannsknoten aus?«
    »Vielleicht ist es dir entgangen, aber die Bewohner Laomars fahren seit ungefähr sechstausend Jahren zur See und…«
    »Schon gut. Knie dich hierher. Ich zeig dir, wie der Knoten aufgeht.«
    Bergalf kannte ihn. Auf Azon nannte man den Knoten »des Seemanns Schwur«, weil er verstellbar und dennoch sehr zuverlässig war. Jonas dachte noch über den tieferen Sinn dieses Namens nach, als Bergalf schon mit flinken Fingern die ersten Knoten öffnete.
    Während die beiden sich Faden für Faden auf die Nachbarhöhle zuarbeiteten, saßen nebenan Robert, Sarah, Lischka und Ximon über Keldins Spiegel gebeugt.
    Als sie wieder einmal bei McGeorge Bundy, dem Sicherheitsberater des Präsidenten, hereinschauten, machten sie eine seltsame Entdeckung. Bundy saß mit George Ball zusammen, einem Staatssekretär des Außenministeriums. Beide sprachen gerade über den Terminplan, den Ball mit seinem Stellvertreter Alexis Johnson und mit Ed Martin, dem Unterstaatssekretär für lateinamerikanische Fragen, ausarbeiten sollte. Darin ging es unter anderem um eine Sitzung der

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