Das Echo der Flüsterer

Seine Lungen verweigerten einen letzten Atemzug. Jetzt war alles vorbei.
    Unvermutet flog ein blaues Feuerschwert durch die Luft. Es war Mackys breite Schnauze, die sie vor den herabfallenden Geröllmassen abschirmte. Starr vor Schreck sah Jonas, wie neben diesem schützenden Dach die Steine niederprasselten.
    Kanthelm wurde unter einem Berg von grauem Fels begraben. Als der Steinregen endlich versiegte, war der Schutthügel mindestens fünfzehn Fuß hoch.
    »Das dürfte ihm den Rest geben«, sagte Bergalf ohne jedes Mitgefühl.
    »Ich kann ihn nicht leiden«, war Mackys Kommentar.
    Vom Höhleneingang her drang lautes Geschrei herüber. Neue Malkits strömten in den Felsendom.
    »Jetzt aber nichts wie weg hier«, drängte Bergalf. Er fasste Jonas am Ellenbogen und zog ihn zu Mackys Maul hin, das wieder auf dem Höhlenboden lag. Rings um den Gorrmack-Kopf wirkte alles seltsam verzerrt, als würde die ganze Höhle in den Schlund des riesigen Drachen gesaugt.
    Ohne noch zu zögern, kletterten die beiden Gefährten über die spitzen Zähne in das funkelnde Maul. Kraarks dunkler Körper rauschte über ihre Köpfe hinweg. Bergalf stützte seinen Freund, der noch immer etwas benommen war. Jonas wunderte sich, wie weich eine Kristallzunge sein konnte. Um sie herum blitzte und funkelte Mackys ganzer Leib, doch unmittelbar vor den Freunden tat sich schwarze Finsternis auf. Der Rachen des Gorrmacks war so dunkel wie Kanthelms Seele.
     
     
    Der Facettensprung brachte Jonas und Bergalf in ein anderes Chaos. Die Spiegelregion war so verwirrend wie eh und je. Überall standen und schwebten Kristallflächen. Auf den spiegelnden Tafeln konnte man undeutliche Schemen erkennen.
    »Wo seid ihr nur so lange gewesen?«, begrüßte Sarah ihren Sohn. »Captain Woolbridge ist schon beim Flugzeug, um es startklar zu machen. Sieh nur!«
    Jonas folgte dem nach oben deutenden Finger seiner Mutter.
    Der blaue Kristallbaldachin der Spiegelregion bewegte sich, langsam zwar, aber unübersehbar. Es war, als würde jemand mit einem riesigen Rührlöffel Kreise in einen blauen Griespudding ziehen.
    »Der Sturm«, sagte Jonas. »Macky hat es wirklich geschafft! Der Wirbel zur Erde tut sich auf.« Als er wieder in die Augen seiner Mutter blickte, bemerkte er ihre Sorge. Jonas versuchte zu lächeln. »Jetzt wird alles gut, Mom. Wir hatten noch ein kleines Problem mit Kanthelm. Er ist plötzlich aufgetaucht und hat uns ein paar Schwierigkeiten bereitet.«
    »Aber Macky hat ihm ein für alle Mal den Garaus gemacht«, fügte Bergalf hinzu. »Jetzt liegt der Malkit-Herrscher unter einem hohen Geröllberg, ein beeindruckendes Hügelgrab, finde ich.«
    Darina sah fragend zu Jonas auf. »Gibt es unter den Menschenkindern nicht die Sitte, Mörder zu steinigen?«
    »Im Orient vielleicht. In den Vereinigten Staaten verwendet man weniger staubige Methoden.«
    »Kanthelm hat sicher seine Strafe verdient.«
    Ein lautes Knistern und Fauchen zog die Aufmerksamkeit der Gefährten auf sich. Für einen Moment schien ein pfeifender Sturm aufzubranden, dann breitete sich in unmittelbarer Nähe plötzlich ein bläulicher Funkenwirbel in der Luft aus, dem Bild einer sich drehenden spiralförmigen Galaxis nicht unähnlich. Schließlich schob sich Mackys riesiger Körper aus dem glitzernden Nebel und nahm feste Gestalt an.
    Jonas sah zu dem nun immer schneller kreisenden Dach der Spiegelregion empor. »Wie lange wird es noch dauern, bis sich das Tor zur Erde öffnet?«, rief er Macky zu.
    Der Gorrmack schwang den gewaltigen Oberkörper herum. »Nicht mehr lang. Fühlst du nicht die Leichtigkeit?«
    Jonas überlegte, was Macky wohl meinte. Im Zentrum der Spiegelregion herrschte schließlich immer eine geringere Schwerkraft. Doch dann spürte er es. Ein Ziehen, als würde ihn jemand in die Höhe heben wollen, aber es nicht ganz schaffen.
    »Wir müssen schnell zum Flugzeug«, sagte er zu seinen Eltern. Dann wandte er sich noch einmal an Macky. »Du bringst meine Freunde ins Land der Bonkas, ja?«
    »Hab ich doch versprochen!«
    »Und vergiss mir ja den Raben nicht!«
    »Der ist aber frech.«
    »Trotzdem, Macky. Kraark ist mein Freund, so wie du auch mein Freund bist. Tu es bitte für mich.«
    »Na gut.«
    »Dann los«, sagte Jonas zu den anderen.
    »Wir bringen euch noch zum Flugzeug«, meinte Darina.
    Mit schnellen Schritten liefen sie los. Der riesige blaue Strudel über ihren Köpfen kreiste immer schneller. Plötzlich erzitterte der Boden.
    Jonas blickte sich erschrocken um.