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Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge

Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge

Titel: Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Miller
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der Firma, von denen du sprachst, oder möglicherweise eine Krankheit?«
    »Pascal strotzte vor Gesundheit.«
    »Ist er vor eurem Urlaub beim Arzt gewesen?«
    »Nein!«, sagte ich mit Nachdruck. »Und was den Stress betrifft, Pascal liebte Druck. Er brauchte das, er war der geborene Kämpfer.«
    »Vielleicht ein müder Kämpfer«, erwiderte David. »Du sagst selbst, wie erschöpft er dir vorgekommen ist.«
    »Das ist absurd!« Ich trat so weit zurück, wie es das enge Plateau zuließ. »Wenn er sich umbringen wollte, hätten sie seine Leiche gefunden.«
    David schwieg einen Augenblick. »Es ist wahrscheinlich das Schwerste, den eigenen Leib zu besiegen«, sagte er einfühlsam. »Wenn dein Mann das Leben so geliebt, es mit beiden Händen angepackt hat, wie du erzählst, könnte ihm dort unten, in der Muränenhöhle, plötzlich der Mut gefehlt haben, und er ist … gescheitert.«
    »Ich glaube kein Wort davon«, antwortete ich, um meine Beklommenheit abzustreifen. »Ich glaube weder, dass er sich umbringen wollte, noch dass er damit gescheitert ist, und vor allem nicht, dass ich davon nicht das Geringste bemerkt haben soll!«
    »Was weißt du eigentlich von seinen Geschäften?«
    »So gut wie nichts. Was hat das damit zu tun?«
    David überlegte kurz. »Männer, die solche Macht und so viel Verantwortung in Händen halten, empfinden es oft als angenehm, daheim nichts davon zu erzählen. Ihr Zuhause ist die Oase, die sie zum Auftanken brauchen.« Er hielt inne. »Ich weiß das. Ich habe auf diese Art meine Ehe ruiniert, weil ich meiner Frau nichts mehr erzählte. Sie fühlte sich ausgeschlossen und begann irgendwann, ihre eigenen Wege zu gehen.«
    Seine Worte, meine Vorstellungskraft, der außergewöhnliche Ort, an dem wir uns befanden, ließen plötzlich alles vor mir verschwimmen. Der Erdboden drehte sich, der Himmel stürzte ein, mit letzter Kraft hielt ich mich am Gipfelkreuz fest.
    »Was ist los?« David kauerte sich zu mir.
    Ich zwang mich, nicht wieder zu weinen. »Wenn er es nicht geschafft haben sollte, sich umzubringen, warum ist er nicht zu mir zurückgekommen?«
    «Ich weiß es nicht. Wir können es nicht wissen.« Er nahm mich an beiden Schultern und richtete mich auf. »Ich habe nur versucht, mich in dich hineinzuversetzen, habe die Spekulationen mit dir durchgedacht. Aber ich bin ein Mann der Fakten. Nach allem, was ich bis jetzt über das Verschwinden deines Mannes weiß, ist die wahrscheinlichste Schlussfolgerung die, dass er tot sein muss.«
    Mit dem Gang in die Berge könnte ich den Anfang eines neuen Lebens setzen, hatte ich geglaubt und gehofft, mich von dem schrecklichen Unglück zu befreien. Auf dem Gipfel des Giferhorns stießen die Worte dieses Mannes mich unbarmherzig in mein Schicksal zurück. Ich misstraute ihnen, zugleich konnte ich sie nicht auslöschen; sie würden mich begleiten, lange nachdem ich ins Tal zurückgekehrt sein würde. Mit einem Mal fiel es mir leichter, den Gedanken zuzulassen: Pascal war tot. David konnte nicht wissen, wie viel mir unser Gespräch bedeutete. Selbst auf der einsamen Höhe dieses Gipfels fühlte ich mich durch seine Anwesenheit geborgen. Wir ruhten uns noch ein wenig aus, er erklärte mir die Bergwelt rundum. Bald wurde es kühl, wir begannen den Abstieg.

7
    Die Maschine startete pünktlich von Genf aus, ich hatte den letzten Platz bekommen. Der Preis war unverschämt, doch ich wollte meine Abreise um keine Stunde länger verschieben, nachdem ich nun doch noch eine weitere Nacht in Saanen geblieben war. Bis Paris musste ich mit einem Mittelplatz vorliebnehmen, für den Langstreckenflug hatte ich einen beinfreien Exitsitz ergattert.
    David war sehr verständnisvoll gewesen, hatte begriffen, dass er etwas Tiefgreifendes in mir ausgelöst hatte. Schweigend, mit gesenkten Augen war ich den Grat und den Felsensteig zurückgegangen, hatte die aufziehenden Wolken, den Nieselregen kaum bemerkt. Bald hatte es so stark geregnet, dass mir mein Hut noch gute Dienste leistete. Erst im Auto war ein knappes Gespräch in Gang gekommen. David hatte mich zum Dinner eingeladen, ich sagte Nein. Dieser Mann, den ich erst vierundzwanzig Stunden zuvor kennengelernt hatte, war mir nähergekommen, als ich mir erklären konnte. Ich hatte unruhig geschlafen und war frühmorgens nach Genf gefahren. Noch nie hatte ich ein Flugzeug so deutlich mit dem Gefühl bestiegen, einem verrückten Traum zu entkommen. Um Klarheit zu finden, war ich in die Schweiz gekommen, verwirrter, haltloser

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