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Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge

Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge

Titel: Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Miller
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ergriff Davids Hand. »Versteh mich nicht falsch. Ich bin dankbar, dass du mich mitgenommen hast.«
    »Erzähl mir, was mit deinem Mann passiert ist.« Er ging in die Hocke und schraubte die Wasserflasche auf. »Wenn du willst.«
    Hier, wo es um uns nur Licht und Ferne gab, war es leicht, die Wahrheit auszusprechen. Es schien mir natürlich, das Schmerzlichste zu benennen. Ich erzählte von meiner großen Liebe, dem Glück, das mir dieser um einiges ältere Mann geschenkt hatte. Ich sprach voll Inbrunst von Pascal, schweifte über unsere Jahre glücklich hinweg und erzählte, dass er zuletzt anstrengende Monate hinter sich gehabt hatte. In der Firma hatte ihm etwas Schwierigkeiten gemacht, die Ringe unter seinen Augen waren violett gewesen. Ich hatte begriffen, dass Pascal kein junger Mann mehr war, dass dieser eigentlich starke Kerl dringend Erholung brauchte. Doch von einem Tag zum andern schienen alle Probleme ausgestanden zu sein, er kam zu mir und sagte: »Was hältst du von Sonne und Wärme und türkisfarbenem Meer? Nur du und ich, eine Hütte, und der Sand ist so heiß, dass du darüber hinwegfliegen möchtest, um ins Wasser zu kommen.« Das war sein Vorschlag gewesen, und der Name, der das alles umschloss, war Rio. Ich hatte sofort zugestimmt. Minuten, tatsächlich nur Minuten später, lag der Ausdruck der Flugtickets vor mir. »Ich will wieder tauchen«, hatte Pascal gesagt. »Ich habe das seit Jahren nicht mehr gemacht. Kannst du tauchen?« Ich hatte ihm gestanden, dass ich über einen Schnupperkurs im Swimmingpool nicht hinausgekommen war. »Ich zeige es dir.« Wir reisten noch in derselben Woche ab.
    Ich schwieg, David drängte mich nicht, fortzufahren. Dann erzählte ich von Rio, beschrieb unseren Bungalow, als ob das von Bedeutung wäre, das breite Bett unter dem Moskitonetz, offene Wände nach allen Seiten. Morgens und abends kam Joaquin und brachte uns das Essen. Das Salz im Haar, der Geschmack der Früchte, der Schweiß in den Nächten, der rasende Ventilator, ich erzählte von vielen Kleinigkeiten, weil ich den Tag, als wir in die Muränenhöhle hinabgetaucht waren, hinauszögern wollte, die Nacht darauf, den Morgen, als Pascal sich verabschiedete und nicht mehr zurückkam.
    Während David sich von paradiesischen Stränden erzählen ließ, vom Geheimnis der Unterwasserhöhle, schaute er in die Bergwelt, unterbrach mich nicht und ließ einige Zeit verstreichen, nachdem ich geendet hatte.
    »Wenn dein Gefühl stimmt und dein Mann wirklich leben sollte, muss es einen Grund geben, warum du seitdem nichts von ihm gehört hast.« Er sprach konzentriert, als ob ihm kein falsches Wort dazwischenrutschen dürfe.
    »Wenn er leb t ? Du glaubst also auch …!«
    »Ich glaube gar nichts, bin bloß ein Außenstehender, der die Bestandteile betrachtet, die du vor mir ausgebreitet hast. Sollte Pascal überlebt haben, musst du dich fragen, warum er sich bei dir, der Frau, die er liebt und die ihn liebt, nicht gemeldet hat. Wenn man es logisch betrachtet, kann er eigentlich nicht mehr am Leben sein.« Wir wechselten einen Blick. »Da du aber drei Monate lang fest daran geglaubt hast, muss dir irgendetwas diesen Glauben gegeben haben, etwas, das vielleicht nur dein Unterbewusstes wahrgenommen hat.«
    »Was meinst du damit?«
    »Etwas an den Umständen seines Verschwindens muss dir merkwürdig erschienen sein.«
    »Die Umstände …?« Mir fiel das Telefonat ein, das ich mit meiner Freundin Karen in Toronto geführt hatte. Es war wenige Tage nach Pascals Verschwinden gewesen; um die nüchternen Verhöre zu verkraften, hatte ich mit einer vertrauten Stimme sprechen müssen. Damals hatte ich Karen die Vermutung mitgeteilt, die die Polizei in Rio geäußert hatte.
    »Selbstmord?«, hatte sie gefragt, die Pacal von mehreren fröhlichen Begegnungen kannte.
    »Die Polizei muss natürlich alle Möglichkeiten in Betracht ziehen.«
    »Hältst du es denn für möglich, dass er sich umgebracht hat?«
    Was hatte ich Karen damals geantwortet? Dass ich Pascal als Menschen kannte, der das Leben bejahte wie kein Zweiter. Dass er es in sich aufsog, dass er es liebte. Er war in seiner Lebensumarmung jünger als die jüngsten Männer, die ich kannte. Der Tod, schien mir, war eine Option, die für Pascal noch keine Realität besaß.
    Auf dem Gipfel des Giferhorns antwortete ich David das Gleiche. »Ich wüsste nicht einen einzigen Grund, warum er versucht haben sollte, sich das Leben zu nehmen.«
    »Vielleicht wegen der Schwierigkeiten in

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