Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge
Code meine Initialen enthält.«
Bevor Wolfram die Chiffre einstellte, fragte Stein: »Haben Sie etwas Interessantes darin gefunden?«
Der Papuastein fiel mir ein und Licht über Maria. »Nein.«
Wolfram zog Latexhandschuhe über, der Tresor ging zum zweiten Mal auf. Beide betrachteten die dunklen Fächer, dann begann Wolfram den Inhalt sicherzustellen.
»Was ist das?« Stein zeigte auf den Papuastein.
Ich berichtete, von wo er stammte und was er uns bedeutet hatte. Den Zettel verschwieg ich. Ich trug das kleine Papier bei mir, hatte es die ganze Zeit bei mir getragen. Warum holte ich es nicht hervor und forschte zusammen mit Stein nach Licht über Mari a ? Weil ich die verrückte Hoffnung hegte, dass diese Botschaft an mich gerichtet war? Ich wollte einfach nicht glauben, dass die drei Worte etwas mit Pascals fragwürdigen Transaktionen zu tun hatten.
Stein ging an den Bücherregalen entlang. »Erstaunlich viele religiöse Werke.«
»Wieso erstaunlich?«
»Für einen Geschäftsmann ist es ungewöhnlich, sich im Arbeitszimmer mit Gott zu umgeben.«
»Vielleicht hat er seine Gewinne mit Gottes Hilfe gemacht.« Mein Scherz war schal, Stein schmunzelte trotzdem. Er nahm einen Bildband von Velazquez und betrachtete eine Madonna im blauen Mantel.
»War Ihr Mann religiös?« Er schaute auf. »Verzeihung. Ist Ihr Mann religiös?«
Ich konnte nicht antworten. Die Madonna sprang mir ins Auge, ihr zum Jesuskind geneigter Kopf, der Heiligenschein. Die Muttergottes, dachte ich, Licht über Maria , der Heiligenschein: Pascal hatte keine Person dieses Namens gemeint, sondern die Madonna! Wieso hatte ich bis jetzt nicht begriffen, dass die drei Worte eine Metapher waren? Licht über Maria war die Umschreibung für Heiligenschei n !
»Pascal ist Calvinist.« Ich spürte hektische Flecken auf meinen Wangen und legte die Handrücken darauf.
»Für einen calvinistischen Bilderstürmer hat er ganz schön frivole katholische Bildchen hier versammelt.« Stein zeigte mir die Abbildung eines nackten Christus in den Armen Marias.
»Brauchen Sie mich noch?« Mein Verdacht machte mich plötzlich ganz nervös.
»Wollen Sie denn nicht dabei sein?« Stein bemerkte meinen Stimmungsumschwung.
»Ich verstehe ja doch nichts davon.« Ich vermied es, ihn anzusehen. »Soll ich uns Kaffee machen?«
Vor dem Safe drehte sich Wolfram um. »Das wäre nett.«
Stein verengte die Augen und musterte mich, schließlich nickte er. »Schwarz, mit viel Zucker bitte.«
Draußen lehnte ich mich an die Wand und presste den Kopf gegen die Mauer. Ich war sicher, dass Pascal keine Madonna aus den Büchern gemeint hatte, die Bedeutung war konkreter. Ich lief ins Erdgeschoss, setzte die Espressomaschine auf und begann durch die Räume zu streifen.
Viele Bilder hingen an den Wänden, auch eine abstrakte Kreuzigung war dabei, nirgends die Gottesmutter. Ich wollte in den Wintergarten, wo ich die Fotos gefunden hatte, und durcheilte den Korridor, der in den gläsernen Raum mündete. Durch den Regen war es hier drin, wo keine Wände die Wärme speicherten, noch kühler geworden. Ich suchte flüchtig in den Schubladen und kehrte um. Langsam ging ich den Korridor zurück. Wie beim ersten Mal fühlte ich die Unebenheit zu meinen Füßen und strich mit dem Schuh darüber. Dieser Gang hatte kein Fenster, auch tagsüber herrschte hier Zwielicht. Ich lief zum Lichtschalter, der Lüster ging an. Ich ließ mich auf die Knie sinken und glitt mit den Fingern die Konturen des Reliefs entlang. Mit etwas Fantasie konnte man darin eine Madonnendarstellung erkennen. Hier der kleine Kopf, darunter ein weiter Mantel. Ich hatte gelesen, dass die Muttergottes in mittelalterlichen Darstellungen manchmal in Dreiecksform abgebildet worden war. Das Relief zeigte sonst kaum Details, vor allem keinen Heiligenschein. Für ein paar Momente war ich sicher gewesen, die richtige Maria gefunden zu haben. Enttäuscht starrte ich zu Boden.
»Licht über Maria. Licht über Maria.« Ich hob den Kopf. Der Lüster passte nicht hierher, sechs Arme, sechs Glühbirnen, zwei waren ausgefallen. Ich stand auf, reckte mich auf die Zehenspitzen – er hing zu hoch. Ich lief in die Werkstatt, holte einen Stuhl und stieg darauf. Staub auf der Oberseite, die Elektroinstallation war in der Kette verborgen, mit der die Lampe an der Decke befestigt war. Ich drehte eine der kaputten Glühbirnen heraus, starrte sie an und stieg wieder vom Stuhl.
»Haben Sie uns vergessen?«, rief Stein von oben.
Der Kaffee!
Weitere Kostenlose Bücher