Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge
Einfluss – sie und Pascals Bruder natürlich.« Plötzlich nahm er meine Hand. »Ich war in der ganzen Sache doch nur ein unbedeutendes Rädchen. Bitte glaub mir das.«
Ohne lange zu überlegen, fragte ich: » Licht über Maria – was sagt dir das?«
»Wie bitte?«
»Du hast mich schon verstanden.«
»Licht über wem?« Davids Gesicht blieb ausdruckslos.
»Nicht so wichtig. Es wird bald hell, ich muss noch schlafen.«
»Ich gehe gleich, Tony. Aber …« Er kam näher. »Können wir nicht eines Tages, wenn alles vorbei ist, wieder Freunde sein?«
Das Wort gab mir einen Stich. »Wieso möchtest du das?«
»Weil ich nicht so bin, wie du mich kennengelernt hast. Ich bin für so einen Mist nicht geschaffen. Betrug und Intrige, das passt nicht zu mir.«
»Dafür hast du deine Sache aber ziemlich gut gemacht.«
»Weil ich dich mag. Das musst du gespürt haben.«
Verwundert, wie sehr mich seine Worte berührten, stand ich auf. »Ja. Und das macht die Sache noch schlimmer. Deshalb darfst du jetzt nicht angewinselt kommen und so tun, als sei alles über deinen Kopf hinweg passiert. Betrug bleibt Betrug, aus welchem Grund auch immer. Es war gut, dass du es mir gesagt hast, aber ich kann nicht mehr … Ich will dich nicht mehr sehen.«
Ich verließ den Salon, lief zum Eingang und öffnete ihm die Tür. Als ich hinausschaute, wirkten der Garten, die Stadt so friedlich, als hätte ich mir alles, was geschehen war, nur eingebildet. David ging. Unser Gespräch hatte mich nicht erleichtert, nur traurig gemacht.
21
Stein meldete sich nicht. Er ließ mich im Unklaren darüber, ob seine stundenlange Suche Erfolg gehabt hatte. Roman Zuermatt kam nicht in die Villa, auch der Anwalt nahm keinen Kontakt mit mir auf. Das Gespenst der Nacht – Pascal am Fenster – verwandelte sich in eine Erinnerung, von der ich nicht mehr hundertprozentig wusste, ob sie real war oder mich lediglich die Hoffnung geleitet hatte, ihn lebendig zu sehen.
Als ich an diesem Morgen meinen Koffer in der Halle ent deckte, wollte ich nur noch nach Hause. Ich musste meine Wohnung umkrempeln, die vielen Erinnerungsstücke entsorgen, die mir die gemeinsame Zeit mit Pascal verklärten. Es gab nichts zu verklären. Ich freute mich darauf zu arbeiten, auf die Übersetzung des Jugendbuches, den Anfang eines normalen Lebens. Irgendwann würde eine Akte geschlossen, ein Testament eröffnet werden, ich würde vielleicht etwas erben. Viel oder wenig – es war mir einerlei. Ich träumte nicht von großartigen Unternehmungen. Als deutlichstes Zeichen, dass das Kapitel Zuermatt für mich zu Ende war, würde ich meinen früheren Namen annehmen.
Mein Blick fiel in den Korridor, der zum Wintergarten führte. Ich betrat ihn und beugte mich über das Bodenrelief. Die abgetretenen Konturen konnten tatsächlich das Bild einer Madonna darstellen, vielleicht auch nicht, vielleicht war es nur irgendeine Frauenfigur, in der ich die Lösung von Licht über Maria erkennen wollte. Das Rätsel der drei Worte verlor für mich immer mehr an Bedeutung. Ich wollte nichts mehr auflösen, ich wollte fort. In der Küche entdeckte ich die kaputte Glühbirne auf der Anrichte. Das wenigstens konnte ich für die kleine Gestalt auf der Fliese noch tun: sie ins rechte Licht setzen. Ich fand zwei Glühlampen in der Kammer, holte den Stuhl aus Pascals Werkstatt, schraubte auch die zweite Birne heraus und ersetzte beide durch die neuen. Ich schaltete den Lüster ein, ein Licht brannte immer noch nicht. Ohne Erfolg ruckelte ich an der Birne, probierte sie in einer anderen Fassung aus, sie funk tionierte einwandfrei. Ich holte eine Stehleiter, stieg so weit hinauf, dass ich mich unter der Decke bücken musste, und untersuchte die leere Fassung. Der Lüster war ausgeschaltet, ich würde keinen Schlag kriegen und fasste hinein. Der Fehler lag darin, dass die Glühbirne den Kontaktpunkt nicht erreichte, an dem sie Strom bekam. Dort war ein Hindernis, ein Papier, sehr dünn; meine Finger waren als Werkzeug zu grob, es musste mit viel Geschick in die Halterung eingebracht worden sein. Beim Absteigen strauchelte ich, hielt mich an der Wand fest. Nur ruhig jetzt, dachte ich, spürte aber, in die Werkstatt eilend, wie meine Knie weich wurden. Fahrig wählte ich einen Elektroschraubenzieher und eine Flachzange, kehrte auf die Leiter zurück und begann, das Papier vorsichtig zu lösen. Es war zu dunkel, ich holte eine Taschenlampe, nahm sie zwischen die Zähne und beleuchtete, was ich tat.
Das Papier
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