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Das Echo der Schuld

Das Echo der Schuld

Titel: Das Echo der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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irgendetwas gebracht hatte. Eigentlich hatte sie Liz auf den ersten Blick nicht besonders gemocht. Zu billig, zu gewöhnlich in ihrer ganzen Aufmachung, wenn auch vom Leid gezeichnet und daher sicher feinfühliger, als sie es zuvor gewesen war. Liz' Art zu sprechen und sich zu bewegen verrieten ihre einfache Herkunft. Zudem wurde es Claire, trotz Liz' Tränen und ihres ganz offensichtlich echten Kummers, rasch klar, dass die junge Frau keine enge, wohl nicht einmal im Ansatz liebevolle Beziehung zu ihrem Kind gehabt hatte. Die arme kleine Sarah war ein ungewolltes Kind gewesen, im falschen Moment in das Leben einer Frau geraten, die ihren Platz selbst noch nicht gefunden hatte und die das kleine, schreiende Geschöpf nur als Last und grausame Blockade für all ihre Ziele und Träume sah. Während sie ihren Selbstanklagen zuhörte, war Claire mehr als einmal der aggressive Gedanke gekommen, dass es Liz ganz recht geschah, was passiert war, denn offenbar hatte sie ohnehin ständig darüber nachgedacht, wie sie sich ihre kleine Tochter möglichst oft vom Leib halten könnte.
    Aber warum ich? Es ist so ungerecht! Ich habe Rachel so sehr geliebt. Sie war mein erstgeborenes Kind, ein Wunder, die Erfüllung eines Traums. Sie war ein Geschenk des Himmels.
    Es gab nicht einen einzigen Moment, da Robert und ich nicht dankbar dafür waren, mit ihr leben zu dürfen.
    Aber dann wieder war sie über sich selbst erschrocken, denn es war nicht in Ordnung, so zu denken, und dieses schreckliche Schicksal hätte Liz Alby so wenig zustoßen dürfen wie irgendjemandem sonst. Vor allem hätte es der kleinen Sarah nicht passieren dürfen. Keinem Kind durfte etwas so Grausames geschehen.
    Mit schleppenden Schritten bewegte sie sich von der Küche hinüber ins Esszimmer. Ein behaglicher Raum mit einem großen hölzernen Tisch, an dem Rachel oft gesessen und gemalt hatte. Das Esszimmer mit dem gemauerten Kamin, den geblümten Vorhängen und dem Blick in den immer etwas verwilderten, daher sehr verwunschen wirkenden Garten war viel mehr das Familienzimmer gewesen als das Wohnzimmer, das zur Straße hinausging. Hier hatten sie alle vier so viel Zeit verbracht. Zusammen Spiele gespielt, oder die Kinder hatten in seltener Einmütigkeit am Tisch Papierkleider für ihre Anziehpuppen gebastelt, während Robert und Claire in den Lehnstühlen am Kamin saßen und lasen. Ein Glas Wein tranken und sich leise unterhielten.
    So würde es nie wieder sein. Auch wenn sie versuchen mussten, für die kleine Sue wieder ein Stück der ihr vertrauten, alten Welt herzustellen, wenn sie alles daran setzen mussten, ihr trotz allem eine schöne Kindheit zu schenken. Niemals würden sie aufhören können, die klaffende Wunde zu sehen, die Rachels Tod in die Familie gerissen hatte.
    Am letzten Sonntag war hier für das Frühstück gedeckt gewesen. Cornflakes mit Milch und Obst für die beiden Mädchen, dazu Toastbrot und verschiedene Sorten Marmelade. Rachel hatte Kakao getrunken und danach wie immer einen dicken, dunkelbraunen Bart auf der Oberlippe gehabt. Trotz der Kontroverse wegen der Hausschuhe war sie fröhlich gewesen. Sie hatte sich auf den Gottesdienst gefreut.
    Heute war der Tisch leer. Weder Claire noch Robert verspürten Hunger. Sue war noch immer in Downham Market. Sie mussten sie jetzt bald zurückholen. Sie hatte noch keine Ahnung, was geschehen war, wurde aber sicher langsam unruhig. Rachel war immer eifersüchtig auf Sue gewesen. Das gibt sich, hatte Claire dann gedacht, das ist ganz normal. Hatte das Vorhandensein der jüngeren Schwester Rachel mehr gequält, als ihre Eltern begriffen hatten? Was hieß schon normal in diesem Zusammenhang? Hätten sie verständnisvoller auf ihre Wutausbrüche der Kleinen gegenüber eingehen sollen? Sie ernster nehmen? Sie nicht herunterspielen und verharmlosen sollen?
    Hätte, hätte, hätte … Für immer würde es nun dieses grausame hätte geben. Ohne die geringste Chance, noch irgendetwas an den Dingen zu ändern, wie sie nun einmal geschehen waren.
    Als es leise an der Haustür klopfte, wandte sich Claire von dem Zimmer, zwischen dessen Wänden so unendlich viele Erinnerungen hingen, ab und trat in den Flur hinaus. Robert war oben im Arbeitszimmer, er hatte das Klopfen wohl nicht gehört. Claire öffnete die Tür ohne Angst. Zwar wollte sie unter keinen Umständen mit Journalisten sprechen, aber sie hätte sich nicht gefürchtet, einen Pressevertreter ohne Umschweife zum Teufel zu schicken. Es gab im Augenblick

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