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Das Echo der Schuld

Das Echo der Schuld

Titel: Das Echo der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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ohnehin praktisch überhaupt nichts, was ihr Angst eingeflößt hätte. Vielleicht war das zwangsläufig der Fall, wenn einem das Schlimmste bereits zugestoßen war.
    Es war der Pfarrer ihrer Gemeinde, der sie besuchen kam, Ken Jordan. Er blickte sie etwas unsicher an. Schließlich gehörte sie nicht zu den Kirchgängern.
    »Wenn ich ungelegen komme, dann sagen Sie es bitte«, bat er. »Ich möchte Ihnen keinesfalls lästig fallen. Aber ich dachte … da es heute genau eine Woche her ist, seit …«
    »Müssten Sie nicht in der Kirche sein?«, fragte Claire.
    Er lächelte. »Ich habe noch etwas Zeit.«
    Sie bat ihn ins Wohnzimmer. Auf dem Bücherregal stand ein gerahmtes Foto von Rachel. Es war im vergangenen März auf einer Wanderung mit ihrer Schulklasse aufgenommen worden. Rachel trug einen roten Anorak, hatte windzerzauste Haare und strahlte über das ganze Gesicht.
    »So ein hübsches, liebenswertes Mädchen«, sagte Ken.
    Sie nickte. »Ja.«
    »Und das ist Ihre andere Tochter?« Direkt neben Rachels Foto stand eines von Sue. Eine vergnügte Sue im letzten Jahr am Strand von Wells-next-the-Sea. Im blauen Badeanzug und mit einem weißen kleinen Stoffhut auf dem Kopf.
    »Das ist Sue.« Sag jetzt nicht, dass ich dankbar sein kann, sie wenigstens noch zu haben!
    Er sagte es nicht. Hier war nichts gegenzurechnen, und das wusste er.
    »Bitte nehmen Sie doch Platz«, sagte Claire.
    Er setzte sich auf das Sofa. Er sah eigentlich gar nicht wie ein Pfarrer aus, fand sie. Jeans, anthrazitgrauer Rolli, farblich passendes Jackett. Er war noch ziemlich jung.
    »Rachel ist sehr gern sonntags in den Kindergottesdienst gegangen«, sagte sie, »sie mochte Donald Asher so gern. Am meisten liebte sie es, wenn er Gitarre spielte und die Kinder dazu sangen.«
    Er lächelte. »Ja, Don kommt bei den Kindern gut an. Er hat eine intuitive Art im Umgang mit ihnen.«
    »Ich habe gestern die Mutter von … von dem anderen Mädchen getroffen«, sagte Claire. Sie wusste selbst nicht, weshalb sie ihm das erzählte. Vielleicht, weil er eine vertrauenerweckende Ausstrahlung hatte. Vielleicht war es aber auch nur ihr Versuch, Konversation zu machen. Sie war dieser Typ. Sie funktionierte auch dann noch, wenn ihr sterbenselend zumute war. »Liz Alby. Die Mutter von Sarah Alby.«
    »Ja. Ich weiß. Ein ebenso entsetzlicher Fall.«
    »Sie macht sich schlimme Vorwürfe. Sie hat Sarah kurz vor … vor deren Verschwinden nicht erlaubt, Karussell zu fahren, obwohl die es sich so sehr gewünscht hat. Sie haben wohl gestritten deswegen. Das geht ihr jetzt sehr nach. Ich kann das verstehen. Den ganzen Morgen schon …« Sie biss sich auf die Lippen.
    Er sah sie freundlich und verständnisvoll an. »Ja?«
    »Den ganzen Morgen schon überlege ich, wie meine … letzten Stunden mit Rachel waren. Ob es irgendeinen Missklang gab. Ich war ungehalten, weil sie barfuß in die Küche kam. Wir haben dort einen Steinfußboden, und Rachel bekam so rasch Halsentzündung. Ich meine, ich habe nicht richtig mit ihr geschimpft, aber ich war verärgert, weil ich sie so oft schon gebeten hatte … Ich weiß nicht mehr ganz genau … ich meine, ich weiß noch, was ich sagte, aber ich erinnere mich nicht mehr genau an meinen Tonfall, ob ich sie anfuhr, oder ob ich nur ein bisschen genervt war …« Sie konnte nicht weitersprechen. Es war egal, ob sie sie angefahren, angemeckert oder sich nur ein wenig gereizt gezeigt hatte. Es war in jedem Fall überflüssig gewesen. Nur weil sie keine Schuhe anhatte! Es war so unwichtig. So schrecklich unwichtig.
    Über den Couchtisch hinweg fasste Ken Jordan kurz nach ihrer Hand, drückte sie in einer beruhigenden, tröstenden Geste. »Machen Sie sich deswegen nicht verrückt, Claire. Jede Mutter verbietet ihren Kindern Dinge, die diese gern tun mögen. Jede Mutter schimpft, ist verärgert, weil die Kleinen nicht folgen. Und weil das häufig zu ihrem Nachteil ist. Es ändert doch nichts an der Liebe, die man empfindet. Sie waren voller Fürsorge gegenüber Rachel am vergangenen Sonntag. Es war Ihnen eben nicht gleichgültig, ob sie eine Halsentzündung bekommt oder nicht. Und selbst wenn Rachel vielleicht die Augen verdreht hat, als Sie mit diesen lästigen Hausschuhen anfingen, so hat sie doch Ihre Liebe und Sorge genau empfunden. Darauf können Sie sich verlassen.«
    Seine Worte taten ihr gut, aber der Schmerz war zu heftig, zu frisch, als dass ein echter Trost möglich gewesen wäre. Im Moment konnte sie sich sowieso nicht vorstellen, dass

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