Das Echo der Schuld
waren, war zweifellos recht feucht, und auch oben in Yorkshire und Northumberland regnete es oft. Aber unten in Kent klagten die Bauern in vielen Sommern über Dürre und Trockenheit, und auch in Liz' Heimat, in East Anglia, konnte man im Juli und August ganz schön ins Schwitzen geraten. Liz mochte Norfolk, wenn es ihr auch nicht immer leicht fiel, ihr Leben überhaupt zu mögen. Schon gar nicht, seitdem Sarah vor viereinhalb Jahren zur Welt gekommen war.
Es war tragisch, mit achtzehn schwanger zu werden, und zwar aus purer Dummheit, weil man einem Typen vertraut hatte, der verkündete, er »werde schon aufpassen«. Mike Rapling hatte offensichtlich keine Ahnung vom Aufpassen gehabt, denn schon Liz' erste sexuelle Begegnung mit ihm hatte sich als Volltreffer erwiesen. Später hatte Mike noch herumgeschimpft und behauptet, er sei hereingelegt worden, Liz habe ihn in eine Ehe nötigen wollen, aber er werde den Teufel tun, sich in seinem jugendlichen Alter bereits in Ketten legen zu lassen.
Liz hatte Ströme von Tränen vergossen. »Und was ist mit meinem jugendlichen Alter? Und meinen Ketten? Ich habe jetzt das Kind am Hals, und mein Leben ist zerstört!«
Erwartungsgemäß hatte Mike dies nicht besonders gekümmert. Er weigerte sich rundweg, Liz zu heiraten, und verlangte sogar einen Vaterschaftstest, als das kleine Mädchen geboren war und die Frage der Unterhaltszahlungen drängend wurde. Zumindest an seiner Eigenschaft als Erzeuger konnte es danach keinen Zweifel mehr geben. Er zahlte widerwillig, wenn auch halbwegs regelmäßig, hatte aber nach zwei oder drei kurzen Besuchen jedes Interesse an seiner Tochter verloren.
Es war keineswegs so, dass Liz ein Interesse an Sarah gehabt hätte, aber ihr blieb nichts übrig, als sich irgendwie um das Kind zu kümmern. Sie hatte gehofft, ihre Mutter, bei der sie noch immer lebte, würde ihr helfen, aber Betsy Alby war so geschockt von der Tatsache, dass in Zukunft ein Baby in der winzigen Sozialwohnung im trostlosesten Viertel von King's Lynn herumschreien würde, dass sie ihrer Tochter unmissverständlich klarmachte, sie werde sich dieses Problems keinesfalls annehmen.
»Es ist dein Kind! Und es war deine idiotische Geilheit, die dich in diese Lage gebracht hat! Glaub nicht, dass irgendjemand zur Stelle ist, um dir diese Scheiße abzunehmen. Ich schon gar nicht! Du kannst verdammt froh sein, dass ich euch nicht alle beide vor die Tür setze!«
Sie hatte geschimpft und geflucht und auch später, als die Kleine da war, nicht die geringsten Anzeichen großmütterlicher Gefühle gezeigt. Eisern blieb sie bei ihrer Drohung, sie werde sich »dieses Balg nicht ein einziges Mal aufs Auge drücken lassen!«. Zwar saß sie den ganzen Tag in der Wohnung vor dem Fernseher, aß Kartoffelchips und begann in den späten – und zunehmend auch in den früheren – Nachmittagsstunden mit ihrem immensen Konsum von billigem Schnaps, aber selbst wenn Liz einkaufen ging, durfte sie ihre Tochter nicht zurücklassen, sondern musste mitsamt sperrigem Kinderwagen und schreiendem Baby in den Supermarkt trotten. Es konnte für Liz keinen Zweifel geben: Dieses Ergebnis einer leichtsinnigen verliebten Aprilnacht badete sie vollkommen allein aus.
Manchmal war sie nahe daran zu verzweifeln. Dann wieder riss sie sich zusammen und schwor sich, sie würde sich nicht ihr Leben zerstören lassen. Sie war jung und attraktiv. Irgendwo musste es doch einen Mann geben, der sich trotz der Last, die sie mit sich herumtrug, ein gemeinsames Leben mit ihr vorstellen konnte.
Denn so viel stand fest: Ewig wollte sie nicht in dem düsteren Loch bei ihrer Mutter sitzen, wo selbst an strahlenden Sommertagen schon frühmorgens alle Rollläden heruntergelassen waren, damit man das Fernsehbild besser erkennen konnte und keine Hitze hereindrang, die Betsy, die ständig schwitzte, fürchtete wie der Teufel das Weihwasser. Liz wollte eine hübsche Wohnung, und am meisten wünschte sie sich einen kleinen Balkon davor, auf dem sie Blumen pflanzen konnte. Sie hoffte auf einen netten Mann, der ihr manchmal Kleinigkeiten mitbrachte, hübsche Wäsche oder ein Parfüm, und der sich als Sarahs Vater fühlen würde. Er sollte genügend Geld verdienen, so dass sie nicht mehr im Drogeriemarkt für einen kläglichen Lohn an der Kasse würde sitzen müssen. An den Wochenenden konnten sie zu dritt Ausflüge unternehmen, Picknicks und Fahrradtouren machen. Wie oft sah sie fröhliche Familien, die zu einer gemeinsamen Unternehmung
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