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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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sich verändert. Obwohl er gerade mal dreißig war, zeigten sich an den Schläfen schon die ersten grauen Haare, er hatte dunkle Ringe unter den Augen, und an den Mundwinkeln hatten sich scharfe Linien eingegraben. Er wirkte müde, als ob er ein ziemlich anstrengendes Leben führen würde.
    » Ja, ja, Sira, es ist viel Zeit vergangen.«
    » Fünf Jahre«, präzisierte ich in scharfem Ton. » Und jetzt sag mir bitte, aus welchem Grund du hergekommen bist.«
    » Aus mehreren«, antwortete er. » Aber zieh dir ruhig zuerst trockene Sachen an. Und bring mir deine Papiere mit, wenn du zurückkommst. Dich am Kinoausgang darum zu bitten, erschien mir unter deinen momentanen Umständen doch etwas unhöflich.«
    » Und warum sollte ich dir meine Papiere zeigen?«
    » Weil du, wie ich gehört habe, jetzt marokkanische Staatsbürgerin bist.«
    » Und was geht das dich an? Du hast kein Recht, dich in mein Leben einzumischen.«
    » Woher willst du das wissen?«
    » Du und ich, wir haben nichts mehr gemeinsam. Ich bin inzwischen ein anderer Mensch, Ignacio, ich habe weder mit dir noch mit irgendjemandem aus der Zeit, als wir zusammen waren, noch etwas zu tun. In diesen letzten Jahren ist vieles geschehen in meinem Leben, ich bin nicht mehr die, die ich einmal war.«
    » Wir alle sind nicht mehr die, die wir waren, Sira, nach einem Krieg, wie wir ihn erlebt haben.«
    Schweigen breitete sich aus zwischen uns. Wie aufgescheuchte Vögel schossen mir tausend Bilder aus der Vergangenheit durch den Kopf, tausend widerstreitende Empfindungen überfluteten mich. Vor mir saß der Mann, der der Vater meiner Kinder hätte sein können, ein guter Mann, der mich immer nur vergöttert, dem ich aber einen Dolch ins Herz gestoßen hatte. Vor mir saß aber auch ein Mann, der sich in meinen schlimmsten Albtraum verwandeln konnte, der vielleicht seit fünf Jahren seinen Groll in sich hineinfraß und zu allem bereit war, um mich für meinen Verrat bezahlen zu lassen. Beispielsweise indem er mich anzeigte, mich beschuldigte, dass ich nicht die sei, die ich vorgab zu sein, und meine Schulden aus der Vergangenheit ans Licht zerrte.
    » Wo bist du während des Krieges gewesen?«, fragte ich fast ängstlich.
    » In Salamanca. Ich war ein paar Tage bei meiner Mutter zu Besuch, als der Aufstand begann. Dann hatte ich keine andere Wahl, als mich den Nationalen anzuschließen. Und du?«
    » In Tetuán«, sagte ich, ohne lange nachzudenken. Vielleicht hätte ich es nicht so offen sagen sollen, aber jetzt war es schon zu spät. Seltsamerweise freute ihn meine Antwort offenbar, denn ein schwaches Lächeln umspielte seine Lippen.
    » Natürlich«, meinte er dann leise. » Natürlich, damit ergibt alles einen Sinn.«
    » Was ergibt einen Sinn?«
    » Etwas, das ich über dich wissen musste.«
    » Du musst überhaupt nichts über mich wissen, Ignacio. Du musst mich einfach vergessen und in Ruhe lassen.«
    » Das kann ich nicht«, entgegnete er entschieden.
    Ich fragte nicht, warum. Ich fürchtete, er würde Erklärungen von mir verlangen, mir Vorwürfe machen, weil ich ihn verlassen hatte, und mir ins Gesicht schleudern, wie sehr ich ihm wehgetan hatte. Oder, noch schlimmer: dass er mir offenbarte, er würde mich noch immer lieben, und mich anflehte, zu ihm zurückzukommen.
    » Du musst gehen, Ignacio. Du musst mich vergessen.«
    » Das kann ich nicht, mein Schatz«, wiederholte er nun mit einem etwas bitteren, sarkastischen Unterton. » Nichts wäre mir lieber, als mich nie mehr an die Frau erinnern zu müssen, die mein Leben zerstört hat, doch ich kann es nicht. Ich arbeite für die Abteilung für innere Sicherheit im Innenministerium. Ich bin verantwortlich für die Überwachung der Ausländer, die zu uns kommen, vor allem derjenigen, die sich auf Dauer in Madrid niederlassen wollen. Und auf dieser Liste stehst auch du, an vorrangiger Stelle.«
    Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte.
    » Was willst du von mir?«, fragte ich, als ich wieder ein vernünftiges Wort zustande brachte.
    » Deine Papiere«, verlangte er. » Deinen Pass und die Zollgenehmigungen für alles in dieser Wohnung, was aus dem Ausland stammt. Aber zieh dich zuvor um.«
    Er klang sehr kühl und selbstsicher, professionell, ganz anders als der sanfte, jungenhafte Ignacio von früher, den ich mir in meinen Erinnerungen bewahrt hatte.
    » Bist du dazu berechtigt? Kannst du dich entsprechend ausweisen?«, fragte ich mit leiser Stimme. Ich wusste zwar intuitiv, dass er nicht log, wollte

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